Telearbeit im Bibliothekssystem der Freien Universität Berlin

Prof. Dr. Ulrich Naumann, Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin

Letzte Änderung: 14.11.2006: Hinweise auf eine Fortbildungsveranstaltung 2005 in Ludwigsburg

Vorhergehende Änderungen:
Nachtrag im Literaturverzeichnis: 22.9.2004
Nachtrag im Literaturverzeichnis: 14.8.2003
Ergänzung zur Berliner Arbeitszeitverordnung; 7.5.2003
Nachtrag im Literaturverzeichnis; 3.1.2003

Editorischer Hinweis: Dieser Text ist die "Aufsatzfassung" eines Vortrags, den ich am 20.9.2000 im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung "Telearbeit für Bibliotheken" in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim/Ruhr gehalten habe. Sie wurde in der Folgezeit verschiedentlich überarbeitet und ergänzt.


Gliederung

  1. Vorbehalte gegen Telearbeit bei Führungskräften
  2. Persönliche Eignung für Telearbeit
  3. Möglichkeiten für Telearbeit in Bibliotheken
  4. Formen der Telearbeit
  5. Unsere Telearbeitsanwendung: "Universitätsbibliographie der Freien Universität Berlin"
  6. Kosten der Telearbeit
  7. Kosteneinsparungsversuche durch die Arbeitgeber
  8. Nutzen der Telearbeit
  9. Kosten-Nutzen-Vergleich
  10. Arbeitsrechtliche Aspekte
  11. Personalrat und Gewerkschaften
  12. Literatur

1. Vorbehalte gegen Telearbeit bei Führungskräften

Einer Untersuchung der Fa. empirica zufolge haben Führungskräfte große Vorbehalte gegenüber der Telearbeit. In absteigenden Prozentsätzen wurde festgestellt:

Es zeigt sich, dass auch unter Führungskräften noch eine grosse Unsicherheit herrscht, ob sie sich auf das Wagnis "Telearbeit" einlassen können.

Ich will auf zwei dieser Vorbehalte näher eingehen.

Bei der vorstehenden Auflistung von Vorbehalten ist auffallend, dass mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte Zweifel an der Produktivität von Telearbeitsverhältnissen haben und Probleme bei der Kontrolle und Motivation der Mitarbeiter befürchten. Dies steht zum Beispiel in eklatantem Widerspruch zu der von den Gewerkschaften befürchteten Neigung der Telearbeiter zur Selbstausbeutung.

Zur Produktivität:Unsere bisherigen Erfahrungen mit Telearbeit zeigen, dass zumindest die Produktivität nicht darunter leidet. Dies setzt allerdings voraus, dass die Telearbeitsplätze selbst auch technologisch so in die DV-Struktur des Betriebes eingebunden sind, dass die gleiche Produktivität wie im Betrieb leistbar ist. Mit anderen Worten: je umfassender die DV-Struktur der Bibliothek ausgebaut und je qualifizierter die betriebliche Kompetenz bei der Nutzung von DV-Möglichkeiten ist, desto reibungsloser kann auch die Arbeitsform "Telearbeit" in die betrieblichen Arbeitsabläufe integriert werden. Bei unserem Projekt in der Freien Universität Berlin hatten wir anfangs tatsächlich mit dem Problem zu kämpfen, dass aufgrund der Anwendungssoftware die Antwortzeiten wesentlich langsamer waren als beim betrieblichen Datennetz. Die Telearbeiterinnen klagten in ihren Erfahrungsberichten massiv über Behinderungen des Arbeitsflusses, also Einschränkungen in ihrer Produktivität. Inzwischen haben wir dieses Problem durch Einsatz der WINCenter-Software behoben. Die Telearbeiterinnen können jetzt zu Hause genauso schnell wie an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz arbeiten.

Zur Motivation: Die Bedenken der Führungskräfte hinsichtlich Motivation und Kontrolle zeigen aber auch, dass Telearbeit keine flächendeckende Arbeitsorganisation sein kann. Wie in zahlreichen Darstellungen zu Telearbeitsprojekten berichtet wird, erfordert Telearbeit einen besonderen Typus von Arbeitnehmern, der heute auch im Öffentlichen Dienst nicht mehr als Regelfall anzutreffen ist: den leistungsbereiten, sich seiner Arbeit und den Arbeitsergebnissen verantwortlich fühlenden, mit erheblichen Fähigkeiten zur Selbstorganisation ausgestatteten Mitarbeiter. Daher kommt es meiner Meinung weniger darauf an, dass Führungskräfte motivierend und kontrollierend wirken, sondern dass die Telearbeiter selbst ein hohes Mass an eigener Motivation für die Arbeit selbst und diese spezielle Form der Arbeit haben und sich selbst in ihrer Arbeitsleistung organisieren und kontrollieren, das heisst auch gelegentlich sich bremsen können.

Hilfreich ist hier ein im Öffentlichen Dienst noch nicht weit verbreiteter Führungsstil wie das Führen durch Zielvereinbarungen. Ohne dass jede einzelne Arbeitsleistung, jeder einzelne Arbeitsschritt und die Organisation des Arbeitsablaufes vorgegeben werden muss (Geschäftsgangsproblematik!), sind sich Betrieb und Telearbeiter über das in einem bestimmten Zeitraum zu erreichende Ziel einig. Bei unserem Telearbeitsprojekt "Universitätsbibliographie" kommen wir, wie ich später noch darstellen werde, ohne eine schriftlich formulierte Zielvereinbarung aus: Die Bibliothek erwartet und die Mitarbeiterinnen wollen, dass in jährlichem Rhythmus ein Bibliographie-Band erstellt wird. Falls von diesem Ziel abgewichen wird, muss zwischen den Beteiligten geklärt werden, warum es nicht erreicht werden konnte. Hierbei wird auch ein laufendes "Controlling" eingesetzt, ohne dass wir dies direkt so benennen: die Mitarbeiterinnen berichten regelmässig über ihre Arbeitsfortschritte und Schwierigkeiten, so dass erkennbar wird, ob die Arbeit wie geplant vorangeht oder wo es "klemmt" und ob die Bibliothek Hilfestellung leisten muss.

Zur Kontrolle: Da ich mich selbst in die Datenbank "Universitätsbibliographie" einloggen kann, könnte ich auf diese Weise auch den Erfassungsfortschritt sehen. Ich tue dies aber nicht, weil eine solche Kontrolle nur ein unzureichendes Bild von den Arbeiten und dem Arbeitsfortschritt ergeben würde. Die "Leistung" der Telearbeiterinnen besteht ja nicht darin, jeden Tag eine vorgegebene Menge an Titelaufnahmen zu erzeugen, sondern im Gesamtzeitraum von einem Jahr etwa 9.000 Titelaufnahmen zustande zu bringen. Ein tägliches Kontrollieren des Arbeitsergebnisses bringt deshalb nichts, weil ich nicht weiss, woran an diesem Tag gearbeitet wurde (Aufbereiten von Titeln für die Erfassung, Korrekturen, Eingabe von Titeln usw.). Ich weiss zudem nicht, wie die Telearbeiterinnen, die ja durchschnittlich 19,75 bzw. 24 Stunden pro Woche arbeiten, in dieser Woche aufgrund des persönlichen Zeitmanagements ihre Arbeitszeit verteilt haben. Hierbei haben wir ihnen bewußt freie Hand gelassen, wobei nur der Wochentag vereinbart wurde, an dem sie in der Bibliothek anwesend sind. Dieser Tag dient der direkten Kommunikation, dem Bringen und Mitnehmen von Arbeitsmaterialien, der Bearbeitung von Fragen, die nur mit den umfassenden Bibliotheksbeständen möglich sind usw. Da mir darüber hinaus zur korrekten Abrechnung der Kommunikationskosten ("sachlich-richtig"-Zeichnung nach Landeshaushaltsordnung) die Einzelnachweise für die Nutzung der dienstlichen Telefonanschlüsse für den PC und das Fax-Gerät vorgelegt werden, könnte ich anhand des Datums, des Zeitraumes und der Verbindungszeit ermitteln, wann die Kolleginnen online gearbeitet haben und ob sie z.B. die mit dem Personalrat vereinbarten Arbeitszeiten (wochentags von 6-23 Uhr, sonn- und feiertags nie) eingehalten haben. Wozu sollte ich das tun (wenn ich es überhaupt darf, da hierin ja eine durch Vereinbarung ausgeschlossene Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu sehen ist)? Die online-Anschaltzeiten sagen nichts über die zwischen online und offline wechselnde Arbeitsleistung aus.

2. Persönliche Eignung für Telearbeit

Ich habe oben erwähnt, dass Telearbeit nicht als Arbeitsform angesehen werden kann, die von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrgenommen werden kann oder sollte. Den Hauptgrund sehe ich darin, dass es hierzu eines Arbeitnehmers bedarf, der hochmotiviert und selbstorganisiert ist.

Im Handbuch des MIRTI-Consortiums (MIRTI = Models of Industrial Relations in Telework Innovation) findet sich eine Sammlung von Fragen (URL: http://www.telework-mirti.org/handbook/tedesco/2checkee.htm) die sich jeder an der Telearbeit Interessierte vor der Einführung dieser Arbeitsform stellen sollte, um seine persönliche Eignung dafür besser einschätzen zu können. Diese umfangreiche Checkliste enthält unter anderem auch detaillierte Fragenkomplexe zum häusliche Büro, zur erforderlichen Ausstattung, zum Kontakt zum Firmenbüro und zu Kollegen, zur Arbeitsorganisation, zum Arbeitsvertrag bzw. dessen Ergänzung, zum Prinzip der Freiwilligkeit, zu Arbeitsorten, zur Beachtung von Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, zum Kauf, zur Installation und Wartung der Ausstattung, zur Regelung der Kosten, zu Arbeitszeit(en), zum Management und Überwachung, zur Weiterbildung, zur Haftung, zum Versicherungsschutz, zum Recht auf Interessenvertretung und zur Beendigungsklausel (im übrigen alles Fragen, die in einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag berücksichtigt werden könnten).

Die Checkliste beginnt mit einer Fragenliste, die dem potentiellen Telearbeiter helfen kann, seine persönliche Eignung für diese Arbeitsform einzuschätzen:

In dieser Checkliste befindet sich am Ende auch eine Liste von Fragen, die sich der Telearbeiter nach einiger Zeit stellen und ehrlich beantworten sollte, um nach einer eventuellen anfänglichen Euphorie über diesen Arbeitsstatus abschätzen zu können, ob diese Arbeitsform wirklich die seinem Persönlichkeitsprofil angemessene Tätigkeitsform ist:

Weil Telearbeit (zumindest in der Form der Heimarbeit und der alternierenden Telearbeit) eine örtliche Parallelisierung von Berufs- und Privatleben bedeutet, ist die ehrliche Beantwortung der Fragen, ob man die Firmenumgebung vermisst und ob man mit der Trennung zwischen Berufs- und Privatleben zurechtkommt, von grosser Bedeutung.

Wenn es sich herausstellt, dass trotz aller vorherigen Erwartungen diese Form der Arbeitsorganisation nicht klappt (wobei die "Schuld" nicht nur beim Telearbeiter, sondern auch an unzureichenden betrieblichen Bedingungen liegen kann), sollten beide Seiten ehrlich das Scheitern eingestehen und die Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz ohne Aufhebens durchführen. Allein wegen des Rückkehrrechtes an den betrieblichen Arbeitsplatz, das sich jeder Arbeitnehmer sichern sollte, der aus einem betrieblichen Arbeitsverhältnis in eine Telearbeitsform wechselt, führt Telearbeit nicht zu der häufig genannten Kostenersparnis im Betrieb, selbst wenn, wie im Tarifvertrag zwischen der Telekom und der Deutschen Postgewerkschaft vorgesehen, kein Anspruch auf den ursprünglichen Arbeitsplatz mehr besteht. Darauf komme ich später noch zurück.

3. Möglichkeiten für Telearbeit in Bibliotheken

In einer vom DBI veröffentlichten Zusammenstellung von Telearbeitsmöglichkeiten in Bibliotheken (URL: http://www.dbi-berlin.de/dbi_ber/bib_ma/telearb/tele.htm; die Seite wird seit dem 1.7.2000 leider nicht mehr gepflegt) werden genannt:

Wenn ich mir die einzelnen Möglichkeiten auf ihren unmittelbaren Bezug zu bibliothekarischen Aufgaben betrachte, komme ich zum Ergebnis, dass nur die letzten fünf Punkte als genuine bibliothekarische Aufgaben hervorgehoben werden können, weil

Die übrigen Aufgaben können auch in Bibliotheken zu leisten sein, dann auch in Form der Telearbeit. Sie eignen sich aber m. E. weniger für langfristige Vereinbarungen zur Telearbeit. Sie sind typisch für Arbeiten, für die man "etwas Ruhe" braucht ohne die laufenden Störungen, die das tägliche betriebliche Geschäft mit sich bringt. Oft werden sie deshalb nach Feierabend zu Hause erledigt. Nehmen sie allerdings einen dauerhaften Charakter an, wie zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit der öffentlichen Bibliotheken (Plakate, Handzettel, Web-Site-Pflege), können auch Regelungen sinnvoll sein, die mit einem begrenzten Anteil von Telearbeit an der gesamten Arbeitszeit auch "formal" für diese notwendige Ruhe (zu Hause) sorgen. Hier wird Arbeitszeit nicht als betriebliche "Anwesenheitszeit", sondern als ortsunabhängige "Denkzeit" 1a) begriffen.

4. Formen der Telearbeit

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die verschiedenen Formen der Telearbeit zu differenzieren. Eine der Möglichkeiten 2) besteht darin, in Form einer Matrix zu unterscheiden nach


Arbeitsort zu Hause
im Telearbeitszentrum
unterwegs (mobil)
Arbeitszeit permanent
alternierend
supplementär
Arbeitsvertrag Arbeitnehmerstatus
Selbständige, freie Mitarbeiter
Heimarbeit (nach Heimarbeitsgesetz)
Kommunikationstechnischer Arbeitsmodus online
offline

Für unsere Betrachtung (Anwendung der Telearbeit im Bibliothekssystem der FU Berlin) sind bei den einzelnen Merkmalen die fett hervorgehobenen Merkmalsausprägungen relevant, so dass wir als Form unserer Telearbeit festlegen können:

Telearbeit in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin erfolgt am häuslichen Arbeitsplatz (Arbeitsort) mit einem alternierenden Anteil (Arbeitszeit) ohne Veränderung der vertraglichen Bindung zur Bibliothek im Arbeitnehmerstatus (Arbeitsvertrag) mit unmittelbarem Online-Zugriff auf die betriebliche Datenverarbeitung (kommunikationstechnischer Arbeitsmodus).

Anhand des Merkmalskatalogs kann auch geprüft werden, welche Merkmalsausprägungen den Begriffen Teleheimarbeit, Alternierende Telearbeit, Mobile Telearbeit, Satellitenbüro, Nachbarschaftszentrum und On-Site-Telearbeit, die auch häufig als "Formen der Telearbeit" in der Literatur zu finden sind, zugeordnet werden können.

Am Beispiel des Nachbarschaftszentrums kann gezeigt werden, dass dem Merkmal "Arbeitsvertrag" alle drei Merkmalsausprägungen "Arbeitnehmerstatus", "Selbständige und freie Mitarbeiter", "Heimarbeit (nach Heimarbeitsgesetz)" zugeordnet werden können, wodurch sich die Gestaltungsmöglichkeiten von Telearbeit, aber auch die Risiken der Arbeitnehmer beim Eingehen auf solche Beschäftigungsverhältnisse merklich vergrössern.

5. Unsere Telearbeitsanwendung: "Universitätsbibliographie der Freien Universität Berlin"

Hier wird zunächst dargestellt, worum es sich bei der Universitätsbibliographie der FUB handelt und wie sie hergestellt wird. Dann wird am Herstellungsprozess der Bibliographie verdeutlicht, warum sich diese Aufgabe auch mit einem umfangreichen Anteil an häuslicher Telearbeit (etwa 65 bzw. 80%) als Telearbeit in der Form der alternierenden Telearbeit eignet.

Die Universitätsbibliographie der Freien Universität Berlin erscheint jährlich und umfasst etwa 9-10.000 Eintragungen. Sie wird in einem iterativen Verfahren mit mehrfacher Kommunikation zwischen den Meldenden und der Arbeitsstelle Universitätsbibliographie hergestellt:

Die ca. 700 FU-Dissertationen übernehmen wir aufgrund von Meldungen unserer Hochschulschriftenstelle.

Für diese Arbeiten wird insgesamt die Arbeitskraft einer Diplombibliothekarin benötigt.

Insgesamt dauert dieser Arbeitsprozess pro Band etwa 12 Monate, da wir Zeitverzögerungen in Kauf nehmen müssen, weil die Meldungen aus den FU-Einrichtungen nur unregelmäßig eingehen, die Autorenkorrekturen aber die jeweilige Einrichtung möglichst vollständig umfassen sollen. Auch die begrenzte Anwesenheit der Meldenden während der Semester ist bei der Arbeitsplanung zu berücksichtigen, damit Aufforderungen zur Meldung und zu Autorenkorrekturen nicht in "Semesterferienlöcher" fallen.

Die Eignung der Arbeitsaufgabe "Herstellung der Universitätsbibliographie" für auch umfassende häusliche Telearbeit ergibt sich daraus, dass die Publikationen der Einrichtungen in der Regel in schriftlicher Form gemeldet werden, indem Listen oder Disketten übersandt werden. Auch die Zusendung per Fax oder als email-Attachements hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Publikationen selbst in physischer Form werden von der Universitätsbibliothek nicht gesammelt.

Nachfragen zu einzelnen Titelmeldungen (etwa 50% der Meldungen ziehen Nachfragen nach sich) oder die Autorenkorrektur erfolgen über FAX oder die Fachpost. Alles in allem handelt es sich um ein unter allen Beteiligten eingespieltes Verfahren.

Die Bearbeitung der Bibliographie erfolgt also weitgehend am Schreibtisch. Titelrecherchen können zunehmend in online verfügbaren Katalogen und Bibliographien erfolgen, auf die die Telearbeiterinnen über das Netz zugreifen können. Dies erspart manche Nachfrage. Die Kommunikation zwischen den meldenden Einrichtungen und der Arbeitsstelle erfolgt über email oder Fax, der Versand von Zwischenprodukten durch die Fachpost. Zur Mitnahme und Aufgabe der Fachpost können die Telearbeiterinnen ihren wöchentlichen Betriebstag nutzen, da es sich hierbei um keine zeitkritischen Arbeiten handelt. Auch umfangreiche Ausdrucke können an diesem Tag über die wesentlich leistungsfähigeren Drucker in der Bibliothek angestossen werden.

Bei diesem Arbeitsprofil ist es daher letztlich egal, wo der Schreibtisch steht, an dem diese Arbeitsprozesse erledigt werden, so dass es uns überzeugend erschien, mit dieser Arbeitsaufgabe den Einsatz von Telearbeit zu probieren.

6. Kosten der Telearbeit

Der Einsatz von alternierender Telearbeit in unserer Bibliothek verursacht dauerhaft Mehrkosten. Da hiermit von der landläufigen und von den Befürwortern der Telearbeit verbreiteten Auffassung abgewichen wird (hier werden als Kostenvorteile des häuslichen Arbeitsplatzes gegenüber dem betrieblichen Arbeitsplatz ca. 3.500 DM/Jahr genannt), ist dies zu begründen. Ein Hauptgrund liegt darin, dass weiterhin ein betrieblicher Arbeitsplatz mit voller Ausstattung bereitgehalten werden muss. In unserem Projekt sind die Kosten zwar geringer, weil beide beteiligten Mitarbeiterinnen im "desk-sharing" arbeiten, also zu unterschiedlichen Zeiten denselben Arbeitsplatz nutzen. Das ändert aber nur geringfügig etwas an der Tatsache, dass durch die Einrichtung zusätzliche Investitionskosten und den Unterhalt von Telearbeitsplätzen dauerhaft Mehrkosten entstehen.

Die Kosten entstehen durch die Einrichtung des häuslichen Telearbeitsplatzes (Ausstattung mit einem Computer und der sonstigen erforderlichen Hardware, EDV-gerechte Arbeitsmöbel, Beschaffung und Installation von Telekommunikationseinrichtungen) und die laufenden Kosten, bei denen die Telekommunikationskosten am meisten zu Buche schlagen. Wir kalkulieren mit ca. 6.000 DM für die Einrichtung und ca. 3.000 DM für die laufenden Kosten pro Arbeitsplatz.

Ein drittes Kostenpotential kann mit den Begriffen "Anlaufkosten" oder "Versuchskosten" bezeichnet werden. Das sind Kosten, die durch unvermeidbare Fehlentscheidungen entstehen, wenn man sich abseits eingefahrener Arbeitsroutinen bewegt. Dagegen schützt intensive gedankliche Vorarbeit und das gründliche Prüfen von Entscheidungsalternativen vor der Realisierung.

Die Aussage, dass mit Telearbeitsplätzen kaum eine Kostenreduzierung erreicht werden kann, wird auch durch Evaluationen in der Praxis belegt. Zugleich wird auch verdeutlicht, dass allgemeine Aussagen über eine Kostenersparnis ("in jedem Fall billiger") oder eine Kostenerhöhung ("in jedem Fall teurer") nicht möglich sind, sondern Kostenbetrachtungen aus dem speziellen Anwendungsfall von Telearbeit (sowohl der Form als dem Umfang nach) abgeleitet werden müssen.

So verringern sich Anschaffungskosten, wenn der Telearbeiter mit einem Laptop ausgestattet wird, den er mobil zu Hause und in der Bibliothek einsetzen kann. Je nach dem Umfang der häuslichen Arbeitsanteile können auch die Telekommunikationskosten erheblich variieren, auch in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen häuslichem Arbeitsplatz und Bibliothek sowie des gewählten Telekommunikationsunternehmens und seiner Angebote (so neuerdings die Möglichkeit, einen "flat-rate-Vertrag" abzuschliessen.

Der für die Telearbeiter vorzuhaltende betriebliche Arbeitsplatz muss nicht an einen bestimmten Raum gebunden sein (was sich jedoch bei unserer Arbeitsaufgabe wegen der umfangreichen schriftlichen Dokumente empfiehlt). Bei dezidierten Arbeitsplätzen in Einzeldienstzimmern sind geringere laufende Kosten für Beleuchtung, Heizung und Reinigung zu realisieren. Jedoch werden diese Kostenerspanisse nicht so gross sein, dass sie die laufenden Mehrkosten ausgleichen können.

7. Kosteneinsparungsversuche durch die Arbeitgeber

Manche Arbeitgeber versuchen, das Problem der doppelten Arbeitsplatzkosten dadurch zu umgehen, dass sie entsprechend weniger betriebliche Arbeitsplätze einrichten. Ich bin jedoch sehr skeptisch, wenn ich lese, dass wegen der Einführung von Telearbeit in manchen Betrieben trotz wachsenden Personals keine neuen Arbeitsplätze angeboten werden mussten oder in anderen Betrieben von vornherein 25% weniger Arbeitsplätze als erforderlich gebaut werden, weil doch ständig 25% des Personals abwesend ist. Praktiziert wird das z. B. bei der dvg Datenverarbeitungsgesellschaft Hannover, einer Sparkassen-Tochtergesellschaft, wo von 1850 Arbeitsplätzen 400 Büroarbeitsplätze abgebaut wurden und Aktenordner, Mappen und Stifte nach Dienstende in einem "Rollkoffer" verschwinden, der am nächsten Tag zum nächsten freien Schreibtisch gefahren wird. 3) Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation kam bei einer Analyse dieser Arbeitsform zum Ergebnis, dass die innerbetrieblichen Reibungsverluste durch die neue Organisationsform deutlich abgenommen haben. Frage nur: verzichten auch die Direktoren und Abteilungsleiter der dvg auf ihre Sekretärinnen und suchen sie sich morgens ihren Schreibtisch mit einem Rollkoffer im Schlepptau? Ist eine solche Arbeitsorganisation in grösserem Umfang in Bibliotheken zu realisieren? Ich denke: nein.

Karsten Gareis hat in einem Beitrag zum "Report Telearbeit - Wie man sie einführt und als Innovationsmotor nutzt" (URL: http://www.symposion.de/Telearbeit/) dargestellt, dass es Telearbeitsplätze vor allem bei der weitverbreiteten Form der alternierenden Telearbeit nicht umsonst gibt. Zwar schlagen die Telekommunikationskosten wegen der zur Zeit immer noch sinkenden Kosten immer weniger zu Buche, die Kosten hängen auch von der Form der Datenverarbeitung (zentralisiert oder dezentralisiert mit Auswirkungen auf die Anschaltzeiten) ab. Vor allem - als ein Blick in die Zukunft - gehen Firmen immer stärker dazu über, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass man sich von zu Hause ohne Probleme in die Firmennetze einschalten kann.

Gareis führt auch die zunehmende private Ausstattung mit Datenverarbeitungsanlagen und Telekommunikationsverbindungen an und die Aktivitäten einiger Grossfirmen, ihren Mitarbeitern kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt PCs in die Wohnung zu stellen. So hat gerade die Westdeutsche Landesbank eine Initiative gestartet, um für 30 Millionen DM ihre Mitarbeiter mit 6000-7000 internetfähigen Notebooks auch zur privaten Nutzung auszustatten. In der entsprechenden Presseerklärung unter dem Titel "Fit for the Future" weist der Vorstandsvorsitzende auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter hin, die einen Teil ihrer Freizeit zur persönlichen Weiterbildung opfern.

Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Privatsphäre kann man in diesen "grosszügigen" Angeboten auch "trojanische Pferde" sehen, deren Annahme man sich unter dem Gesichtspunkt einer schleichenden, unfreiwilligen Ausweitung der Telearbeit gründlich überlegen sollte. Will ich mich wirklich morgens beim Frühstück bereits über Änderungen in meinem online geführten Terminkalender informieren oder "wichtige" Emails vor Dienstantritt zur Kenntnis nehmen, um mir auf dem Weg zur Arbeit bereits Gedanken über die Beantwortung zu machen?

Im Öffentlichen Dienst allerdings sehe ich auf lange Zeit bei der bestehenden Haushaltslage solche Gefahren einer schleichenden, unfreiwilligen Ausweitung der Telearbeit nicht. Ich sehe auch Akzeptanzprobleme bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn in Nebenabreden zur Telearbeit ausdrücklich untersagt wird, die dienstlich bereitgestellten Geräte und Telekommunikationseinrichtungen zu privaten Zwecken zu benutzen. Soll das für die mit diesen Dingen auch im privaten Bereich Vertrauten oder diese Möglichkeiten Nutzenden erfordern, sich zwei Geräte hinzustellen? Wir haben deshalb bewusst auf eine solche einschränkende Regelung verzichtet, weil wir auch in der Bibliothek eine solche Nutzung (noch) nicht kontrollieren (müssen). Anders würde sich das Problem stellen, wenn eine Initiative des Finanzministers Erfolg hat, die private Nutzung des Internets von Dienst-PCs aus als geldwerten Vorteil steuerlich zu berücksichtigen. 4). Dagegen hat sich zwar erst kürzlich Bundeskanzler Schröder bei der Vorstellung seiner Initiative "Internet für Alle" ausgesprochen,

"Drittens: Steuerliche Unklarheiten bei der Nutzung des Internet am Arbeitsplatz und zu Hause werden beseitigt. Konkret bedeutet dies:

aber man weiss nicht, ob aus "steuersystematischen" Gründen diese Vorteilsabschöpfung doch irgendwann einmal eingeführt werden muss.

8. Nutzen der Telearbeit

Es gibt aus Arbeitgebersicht einen Katalog, warum sich (unabhängig von den Kosten) Telearbeit für den Betrieb lohnen könnte. Die hierzu genannten Argumente

können auf unsere Arbeitsaufgabe und die Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst hin untersucht werden.

Aus dem bisher Vorgetragenen wird deutlich geworden sein, dass die vier zuletzt aufgeführten Punkte für die Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst und insbesondere in unseren Bibliotheken geringe Bedeutung haben. Die kurzfristige Mobilisierung von Zusatzkapazitäten, flexiblere Einsatzmöglichkeit und Verfügbarkeit und die Flexibilisierung von Kapazitäten bedeuten die Einführung von Arbeitsbedingungen, die dem starren Personalausstattungsschema des Öffentlichen Dienstes fremd sind. Die Reduktion von Arbeitsplatzkosten wird nach meiner Auffassung in keinem Fall erreicht.

Generell gelten aber auch für unser Projekt die Ziele, die etwa im Tarifvertrag zwischen der Telekom und der Deutschen Postgewerkschaft genannt worden sind:

wobei von mir bekannt werden muss, dass das erstgenannte und die letztgenannten beiden Ziele für uns bei der Entscheidung nur eine geringe Rolle gespielt haben.

Uns war vielmehr wichtig, eine exzellente Fachkraft für diese Arbeitsaufgabe zu halten, eine weitere Kollegin zur Sicherstellung der erforderlichen Kapazität in die Aufgabe einzubinden und den beteiligten Kolleginnen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und individueller Lebensführung zu ermöglichen. Das traf sich auch mit den Vorstellungen und Absichten unserer Telearbeiterinnen.

9. Kosten-Nutzen-Vergleich

Kosten sind in der Regel eine materielle, in Geld ausdrückbare Größe, während der Nutzen in der Regel immateriell und damit nicht messbar ist (was einen Kosten-Nutzen-Vergleich wegen der fehlenden monetären Vergleichsbasis eigentlich ausschliesst). In den Empfehlungen zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von IT-Vorhaben, die von der Bundesregierung 1992 veröffentlicht worden sind und die Grundlage für solche Analysen in der öffentlichen Verwaltung sein sollen, wird daher "Nutzen" weitgehend als "Kostenersparnis" definiert, wogegen sich bei mir als gelerntem Volkswirt die Haare sträuben.

Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass es bei der Einführung neuer IT-Verfahren oft Qualitätssprünge in der Arbeit (also Nutzen) gibt, die jedoch einer quantitativen Bewertung nur schwer zugänglich sind. Da hier ein weiter Spielraum für die quantitative, in Geldgrössen auszudrückende Bewertung solcher Qualitätssprünge gegeben ist, kann mit entsprechenden Festlegungen des daraus (relativ willkürlich) abgeleiteten quantitativen Nutzwertes sowohl die Einführung als auch die Ablehnung der Einführung solcher Verfahren bewiesen werden. Bei uns trat ein solcher Qualitätssprung nicht ein, weil wir schon vorher mit einer hohen Qualität EDV-gestützt gearbeitet haben. Wir verlagerten nur die bestehende Arbeitsaufgabe an andere, nun häusliche Arbeitsplätze.

Wenn wir demnach, etwa gegenüber der Hochschulleitung oder dem Unterhaltsträger, begründen sollen, warum sich trotz der dauerhaft höheren laufenden Kosten von ca. 6.000 DM die Telearbeit für die Freie Universität Berlin "lohnt", weisen wir auf folgendes hin:

Entscheidend für uns war, dass die Universitätsbibliographie für die Aussendarstellung der Freien Universität Berlin einen hohen Stellenwert hat. Sie ist selbständiger Teil des Forschungsberichtes, den die Universität als regelmässigen Leistungsnachweis zu erbringen hat. Die Bibliographie ist zugleich eine der Rechengrössen im hochschulinternen Verteilungsmodell der Haushaltsmittel auf die Fachbereiche. Wer mehr Publikationen nachweist, kann auch mit vergleichsweise mehr Haushaltsmitteln rechnen.

(Welchen quantitativen Nutzwert kann man einer solchen qualitativen Feststellung beimessen? Gehen wir von unseren laufend höheren Kosten von etwa 6.000 DM für Telearbeit und ca. 13.000 DM Kosten für den betrieblichen Arbeitsplatz aus: Lege ich 10.000 DM fest: dann "lohnt" sich Telearbeit nicht. Nehme ich 20.000 DM an: dann halten sich betriebliche und häusliche Arbeitsplatzkosten und Nutzen etwa die Waage. Schätze ich den Nutzen auf 50.000 DM: dann übersteigt der Nutzen beträchtlich die Kosten. Je nach der relativ willkürlichen Bewertung komme ich zu einem positiven oder negativen Ergebnis. Berücksichtigt man, dass in den Hochschulverträgen zwischen dem Senat von Berlin und den Hochschulen um Zuschussdifferenzen im zweistelligen Millionenbereich "gepokert" wird, ist ein Leistungsbeweis für die literarische Produktivität der Hochschule wie die Universitätsbibliographie nicht überzubewerten).

Aufgrund dieser Zusammenhänge (Forschungsbericht, Verteilungsmodell) wird von der die Bibliographie erarbeitenden Universitätsbibliothek erwartet, dass sie ungeachtet betrieblicher oder personeller Probleme regelmässig die Bibliographie veröffentlicht. Hätten wir eine andere Mitarbeiterin in dieses Arbeitsgebiet einarbeiten müssen (allegro als Softwarebasis für die Herstellung spielt in unseren übrigen Betriebsabläufen keine Rolle, so dass die Kenntnisse darüber auch nicht weit verbreitet sind), hätten wir eine grössere zeitliche Verzögerung in Kauf nehmen müssen. Der Nutzen einer Weiterqualifikation einer anderen Kollegin hätte sich zudem in Grenzen gehalten, da die bisherige Sachbearbeiterin erklärt hatte, sobald wie möglich in die Bibliothek zurückkehren zu wollen.

Von daher waren die absehbaren Kosten im Vergleich zu dem von uns sehr hoch geschätzten Nutzen einer kontinuierlichen Weiterführung mit den dafür bewährten Kräften geringer einzuschätzen, so dass auch ohne eine ausgearbeitete Kosten-Nutzen-Analyse das Vorhaben gerechtfertigt war. In anderen Fällen wird diese "Nutzen-grösser-als-Kosten"-Aussage nicht so abzuleiten sein.

Nicht zuletzt bietet uns dieses Projekt auch die Gelegenheit, Erfahrungen mit dieser Arbeitsform zu sammeln und dadurch ihre Einsatzmöglichkeiten auch für andere Projekte und dienstliche Tätigkeiten in unserem Bibliothekssystem besser einschätzen zu können.

10. Arbeitsrechtliche Aspekte

Bei den Telearbeitsmöglichkeiten in Bibliotheken wurde erwähnt, dass eine Vielzahl der dort genannten Tätigkeiten auch in Bibliotheken anfallen und im Grunde Arbeiten sind, für die man "etwas Ruhe" ausserhalb der täglichen Dienstgeschäfte braucht. Warum kann man aber - aus Arbeitgebersicht - hier nicht flexibler handeln und den Mitarbeiterinnen solche "häusliche Arbeit" ohne großen formalen Aufwand auf die Dienst- bzw. Arbeitszeit anrechnen?

Einem solchen Handeln stehen oft gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen entgegen, die nun allmählich den neuen Arbeitsformen angepasst werden. Bei Berliner Beamten ist erst mit der 13. Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitordnung vom 10. März 2003 in § 12 Abs. 1 ein zweiter Satz eingefügt worden: "Auf Antrag des Beamten kann Telearbeit, auch unter Abweichung von Satz 1, unter Berücksichtigung dienstlicher Belange zugelassen werden.", während der § 12 bisher nur die Regelung vorsah: "Der Dienst ist grundsätzlich in der Dienststelle und innerhalb der regelmäßigen Dienststunden zu leisten, soweit nicht etwas anderes erforderlich, zweckmäßig oder üblich ist.", so dass es immer eines ausdrücklich von dieser Regelung Abstand nehmenden besonderen Bescheides bedurfte, während jetzt der Bezug auf die neue Regelung verwaltungstechnisch einfacher ist.

Für Angestellte gilt § 15 Abs. 7 BAT: "Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle, bei wechselnden Arbeitsstellen an der jeweils vorgeschriebenen Arbeitsstelle oder am Sammelplatz." Vor allem aus arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Gründen ist daher eine "laissez faire - laissez aller"-Politik in der Regel trotz der Zustimmung aller unmittelbar Beteiligten nicht möglich. Zumindest muss eine allgemeine Vereinbarung über Telearbeit existieren, mit der solche gelegentlichen Fälle abgedeckt werden.

Will man deshalb Telearbeit als eine Möglichkeit betriebsbezogenen Arbeitens einführen, muss man bei den arbeitsrechtlichen Regelungen ansetzen. 5a). Hier ist zunächst zu unterscheiden in kollektivrechtliche und in individualrechtliche Regelungen. Oftmals ist zur Einrichtung eines Telearbeitsplatzes eine Kombination aus kollektivrechtlichen und individualrechtlichen Regelungen vorgesehen.

Auch der spezielle Tarifvertrag zwischen der Telekom und der Deutschen Bundespost (online verfügbar unter der URL http://www.dpg-hv.de/infogesellschaft/tariftele_10_98.html) stellt zwar eine kollektivrechtliche Vereinbarung dar, erfordert aber gemäß § 12 für die konkrete Gestaltung eines einzelnen Telearbeitsverhältnisses den Abschluss einer einzelvertraglichen Nebenabrede zum Arbeitsvertrag.

An kollektivrechtlichen Regelungen sind unter anderem zu beachten:

An individualrechtlichen Regelungen sind zu nennen:

Der BAT selbst kennt (noch) keine Regelungen zur Einrichtung von Telearbeitsplätzen. In § 4 Abs. 2 BAT wird lediglich ausgeführt, dass Nebenabreden nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

Im Kommentar zu § 4 BAT wird in der Randziffer 11 b kurz das Problem angesprochen, Telearbeit durch Nebenabreden zum Arbeitsvertrag zu regeln. Hierbei zeigt sich aber eine für mich merkwürdige Zurückhaltung in den Formulierungen. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, dass Telearbeit in den vertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen im Öffentlichen Dienst eine zunehmende Bedeutung gewinnen wird, wird mit dem Hinweis auf die Mehrkosten der Telearbeit dieser Arbeitsform nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zuerkannt. Der Kommentar im Wortlaut:

"Nach weit verbreiteter Ansicht soll sie [die Telearbeit] zukunftsträchtig sein und in den nächsten Jahren zusätzliche Beschäftigung schaffen. In der Diskussion wird dabei häufig als selbstverständlich vorausgesetzt, daß Telearbeitsplätze für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis eingerichtet werden. Um dem Arbeitnehmer eine ausreichende Anbindung an den Betrieb (die Dienststelle) zu gewährleisten, wird gefordert, im Ergebnis zwei Arbeitsplätze auf Kosten des Arbeitgebers einzurichten, je einen im Betrieb und zu Hause.
 
Nicht nur aus Kostengründen wird sich Telearbeit aber eher in Form der selbständigen Tätigkeit (Dienstvertrag oder Werkvertrag) oder als Form der Heimarbeit durchsetzen."
Aus: Böhm/Spiertz/Steinherr/Sponer: Kommentar zum Bundesangestelltentarif. Rz. 11 b zu § 4. 297. Ergänzungslieferung zur 2. Auflage, Juli 1999. - In den nachfolgenden Ergänzungslieferungen findet sich dazu keine Änderung.

Demgegenüber legt Rolf Wank in einem sich speziell mit dem Arbeitnehmerstatus befassenden Beitrag zur Telearbeit 6) dar, dass bei der weit überwiegenden Zahl von Telearbeitsplätzen sich die Arbeitenden (weiterhin) in einem Arbeitnehmerstatus (also nicht im arbeitnehmerähnlichen Status oder im Selbständigen-Status) befinden. Der arbeitsrechtliche Regelfall der Telearbeit "Beschäftigung im Arbeitnehmerstatus" hat deshalb auch für die Beschäftigten im Geltungsbereich des BAT Bedeutung und müsste hier für die "BAT-Gläubigen" in den Personalverwaltungen, die sich bei ihren Entscheidungen nur am Wortlaut des Kommentars orientieren, gründlich überarbeitet werden.

In solchen einzelvertraglichen Nebenabreden zum Arbeitsvertrag sind bestimmte Punkte in jeden Fall regelungsbedürftig. Da wir bei unserem Telearbeitsprojekt aufgrund des Beamtenstatus der beiden Mitarbeiterinnen keine solchen Nebenabreden zum Arbeitsvertrag abschliessen konnten bzw. mussten, haben wir den notwendigen zustimmenden Bescheid der Dienststelle zur geänderten Auslegung von § 12 der Arbeitszeitverordnung genutzt, um im Bescheid diese Regelungen vorzunehmen. Der Bescheid ist in einem gemeinsam mit unseren Telearbeiterinnen verfassten Zeitschriftenaufsatz abgedruckt. 7)

In unseren Bescheiden sind folgende Punkte geregelt:

Diese Liste kann nur einen Anhaltspunkt dafür geben, welche Regelungstatbestände sich bei einem Telearbeitsplatz ergeben (vgl. auch den oben erwähnten Fragenkatalog des MIRTI-Consortiums). Die konkrete Ausgestaltung wird immer von der individuellen Situation des Telearbeiters und der am Telearbeitsplatz zu leistenden Arbeitsaufgabe abhängen. Um hier einen optimalen Interessenausgleich zwischen Betrieb und Telearbeiter zu erzielen, sollte man zwar im Sinne einer Betriebsvereinbarung mit Standardtextbausteinen arbeiten, jedoch nicht mit Standardvereinbarungen, die die jeweils individuelle Problematik nicht (mehr) berücksichtigen können.

11. Personalrat und Gewerkschaften

Unser Bescheid ist in Abstimmung mit dem örtlichen Personalrat entstanden, der zwar keine Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte bei der Entscheidung, solche Arbeitsplätze einzurichten, besitzt, aber durch verschiedene Regelungen im Personalvertretungsgesetz bei der konkreten Einrichtung zu beteiligen ist. Diese Beteiligung ist ihm erkennbar schwergefallen, und eine starke mentale Reservation ist bis heute unverkennbar (URL:http://www.fu-berlin.de/prd/telearbeit.html). Der dem örtlichen Personalrat übergeordnete Gesamtpersonalrat der Freien Universität Berlin ist solchen neuen Formen der Arbeitsorganisation gegenüber wesentlich aufgeschlossener eingestellt. Unter Bezugnahme auf die Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes findet sich in der "Zeitschrift für Personalvertretungsrecht", Jg. 2001, H. 6, S. 188-190 eine Darstellung über die Einwirkungsmöglichkeiten von Personalräten im Vorfeld der Einführung und nach Einführung von Telearbeitsplätzen sowie im Rahmen von Dienstvereinbarungen zu regelnden Sachverhalten.

Auch die ÖTV als größte für den Bereich des Öffentlichen Dienstes beteiligte Gewerkschaft hat sich zu den bei Telearbeit auftretenden, einer Regelung bedürftigen Problemen geäußert. Sie kommt dabei zum Ergebnis, dass Telearbeit von vornherein nicht gut oder schlecht ist, sondern insbesondere bei ihren "heiklen" Formen im häuslichen Bereich der Arbeitnehmer der besonderen Regelungen bedarf. Es wird aber darauf hingewiesen, dass juristisch nicht regelbar sind die Probleme der Selbstausbeutung, der Auflösung wichtiger Sozialbeziehungen und Vereinsamung 8) sowie des universellen Anspruchs des Arbeitgebers, jederzeit jede Information, jedes Produkt und jede Leistung geliefert zu bekommen.

Für die gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben entstehen aus der Sicht der ÖTV deshalb noch unbeantwortete, aus den Interessen der gewerkschaftlichen Arbeit aber essentielle Fragen:

In dem bereits zitierten Tarifvertrag zwischen der Telekom und der Deutschen Postgewerkschaft ist deshalb in § 6 geregelt, dass die Gewerkschaft im Intranet der Telekom entsprechende Informationen bereitstellen kann bzw. bei Zustimmung der Mitarbeiter diese auch per email direkt ansprechen kann. Dies könnte ein angemessener Weg sein, um den berechtigten Bedenken der Gewerkschaften Rechnung zu tragen, muss aber aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht noch einmal überdacht werden.

12. Literatur

Zur Telearbeit ist inzwischen eine Vielzahl an Literatur sowohl in monographischer Form als auch als unselbständige Literatur erschienen.

Beschränkt man sich zunächst bei der Suche auf das Internet, zeigt eine Recherche im November 2006 folgende Ergebnisse:


Anmerkungen

1. Neben diesem mehrere dänische Bibliotheken umfassenden Projekt können auch Projektformen infrage kommen, die gegenwärtig unter der Überschrift "Auskunft per Chat" diskutiert werden. Vgl. hierzu den Beitrag von Stefan Müllenbruck "Sind Sie ein Mensch? Auskunft per Chat an der UB Trier" in: BuB: Forum für Bibliothek und Information, 53 (2001), H. 4, S. 216-218 (mit weiteren Referenzen).
Zurück zum Text

1a. Formulierung gefunden bei Albrecht, Rüdiger: Die Einrichtung von Tele- und Außenarbeitsplätzen - rechtliche und personalpolitische Forderungen. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, H. 23 (1996), S. 1240.
Zurück zum Text

2. Vgl. Gareis, Karsten: Teleworking: ein Überblick über den Stand der Praxis: Vortrag. Medien-Forum. KOMED. Köln, 20.3.2000. - Vortrag, dessen Folien im Internet unter http://www.empirica.com/telearbeit/vortraege/Kweg-version.pdf als herunterladbare Folien präsentiert werden. - Umfang 51 Folien, hier Folie 6.
Zurück zum Text

3. S. Engel, Michael: Tägliche Suche nach dem Schreibtisch: neues Bürokonzept soll Leistung steigern. In: Wissenschaftsmanagement. Jg. 6 (2000), H.3, S. 6. - Wer sich weiter in dieses Konzept des "Office21" vertiefen will, findet unter der URL http://www.dvg.de weitere Hinweise unter dem Suchwort Office21.
Zurück zum Text

4. Vgl. die Reaktion auf eine entsprechende Überlegung unter der URL http://www.zdnet.de/news/artikel/2000/07/15008-ac.html
Zurück zum Text

4a. Rede des Bundeskanzlers Schröder auf der EXPO Hannover am 18.9.2000, URL http://www.bundesregierung.de/dokumente/Rede/ix_18573.htm
Zurück zum Text

5. Vgl. die Ergebnisse eines Projektes der Hans-Böckler-Stiftung "Dokumentation betrieblicher Vereinbarungen".
Zurück zum Text

5a. Vgl. dazu den umfassenden Beitrag (51 Seiten) von Preis, Ulrich: Rechtsfragen der Telearbeit. Stand: Februar 2000. In: Handbuch Multimedia-Recht: Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs / Jürgen Becker ...Hrsg. von Thomas Hoeren; Ulrich Sieber. - Stand Dezember 1998. München: Beck, 1999. - Loseblattausgabe. - Teil 22. (Mit umfangreicher Bibliographie)
Zurück zum Text

6. Vgl. Wank, Rolf: Telearbeit. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, 16 (1999), S. 225-235.
Zurück zum Text

7. S. Kawczynski, Sabine; Meye, Antje; Naumann, Ulrich: Telearbeit in einem Bibliographie-Projekt: Einrichtung und erste Erfahrungen. In: BuB 52 (2000), S. 212-218. - Der Bescheid findet sich auf S. 216.
Zurück zum Text

8. Gerade diese Befürchtungen sollten einem fürsorgenden Arbeitgeber zu denken geben. Ich muss gestehen, dass ich hier eine andere Auffassung, auch aus unserem Projekt und der Lebenswirklichkeit abgeleitet, vertrete: Unseren Kolleginnen ermöglicht erst die Telearbeit die Teilnahme am betrieblichen Geschehen, da sie sonst den betriebsferneren Erziehungsurlaub als Alternative hatten. Im übrigen wäre es bedenklich, wenn die sozialen Beziehungen sich auf den Betrieb konzentrieren und ein Wegfall zur Vereinsamung führen würde. Die "beruflichen" sozialen Beziehungen sind in der Regel (und hoffentlich) nur ein kleiner Teil des individuellen Netzes an sozialen Beziehungen. Vor allem bei Müttern mit kleinen Kindern finden sich solche individuellen sozialen Beziehungen in weit grösserem Ausmass, bedingt durch Kleinkindgruppen, Kindergärten, Schule usw., von vorher und auch weiterhin bestehenden anderen sozialen Beziehungen und Kontakten ganz abgesehen. Nur wenn man "Arbeit" als Lebensmittelpunkt ansieht, kann die teilweise Aufgabe des betrieblichen Arbeitsplatzes solche Befürchtungen rechtfertigen.
Zurück zum Text

Copyright © Prof. Dr. Ulrich Naumann

 

[an error occurred while processing this directive] [an error occurred while processing this directive] [an error occurred while processing this directive]