Prof. Dr. Ulrich Naumann
Leitender Bibliotheksdirektor, Universitätsbiliothek der Freien Universität Berlin

Hinweis: Dieser Text ist die Publikationsfassung eines Vortrags, den ich am 12.2.1998 im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung des Referates für Weiterbildung der Freien Universität Berlin gehalten habe. Die Publikation in der Schriftenreihe des Referates ist erfolgt: Naumann, Ulrich: Überlegungen zur Personalentwicklungsplanung am Beispiel der Freien Universität Berlin.
In: Berufsfeld Bibliothek: Kommunikation - Kundenorientierung - Qualitätsmanagement / Hrsg. Rolf Busch. - Berlin: Freie Universität Berlin, 1998. - S. 110-129. (Beiträge zur bibliothekarischen Weiterbildung; 12)

Letzte Änderung: 6.7.1998

Überlegungen zur Personalentwicklungsplanung am Beispiel der
Freien Universität Berlin

Gliederung (mit Sprungmarken zu den einzelnen Abschnitten)

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    1. Personalentwicklung als notwendige Handlungsstrategie

    Auf Jahre hinaus werden in den meisten Bibliotheken junge, hochqualifizierte neue Kolleginnen und Kollegen nicht eingestellt werden können, und ganz sicher nicht an der Freien Universität Berlin. Selbst die Besetzung von Vertretungsstellen, auf die diese Kolleginnen und Kollegen befristet eingestellt werden konnten und mit denen man gelegentlich "etwas frischen Wind" in unsere festgefahrenen Abläufe hineinbringen konnte, wird nur noch in ganz seltenen Fällen möglich sein. Eine Anpassung an die Erfordernisse der uns umgebenden "Umwelt", seien es neue Technologien, Wissenschaftler, Studierende oder sonstige Interessierte, muß von innen heraus erfolgen.

    Die Wahl der Freien Universität Berlin als Beispiel für die nachstehenden Überlegungen begründet sich aus meiner Kenntnis von vorhandenem Personal, vorhandenen Qualifikationen und Strukturentscheidungen. Sie sind jedoch übertragbar auf alle vergleichbaren Entscheidungssituationen: in der Personalausstattung langfristig nicht mehr finanzierbare Großbetriebe, in denen gleichzeitig ein erheblicher Anpassungsdruck an neue Entwicklungen besteht.

    Ich betone nochmals das Wörtchen "muß", weil inzwischen ein erheblicher Anpassungsdruck entstanden ist. Benutzer können auch ohne uns Bibliothekarinnen und Bibliothekare an Informationen und Quellen gelangen. Hier sollte uns das gegenwärtige Chaos des INTERNET keine Hoffnung auf das Überleben bieten: jedes Chaos verlangt nach der ordnenden Hand. Die Entwicklungen, die oftmals schon ohne bibliothekarische Beteiligung initiiert werden (man denke nur an die Entwicklung des DUBLIN CORE ELEMENT SETS, das sich zu einer veritablen Internet-Katalogisierung entwickeln könnte) gehen oft von unserer Überflüssigkeit aus. Und selbst innerhalb des Berufsstandes ist keine einheitliche Strategie zu erkennen: der von außen auferlegte Zwang, mit unseren Produkten Geld zu verdienen, führt etwa im Bereich des Fernleihsystems SUBITO zu einer bisher nicht gekannten Konkurrenz. Diese Konkurrenz kann bei voller Funktionsfähigkeit des SUBITO-Systems ganze Fernleihabteilungen in "rückständigen" Bibliotheken überflüssig machen.

    Die Personalentwicklungsplanung und ihr Ergebnis, die bessere Qualifikation im Sinne einer Kompetenzerweiterung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erweisen sich damit als "Überlebensstrategie" in einer sich ständig verändernden Umwelt.

     

    2. Einordnung der Personalentwicklungsplanung in die betriebliche Personalwirtschaft

    2.1 Strategisches und situatives Personalmanagement

    Bevor ich mich direkt mit der Personalentwicklungsplanung beschäftige, soll zunächst die Personalentwicklungsplanung in das Gesamtsystem betrieblicher Personalwirtschaft eingeordnet werden.

    Der Produktionsfaktor "Mensch" oder "Personal" ist für unseren Betrieb, die wissenschaftliche Hochschule, der wichtigste und teuerste Produktionsfaktor. Mehr als 75 Prozent unserer Kosten werden aufgewendet, um Spitzenleistungen in Forschung und Lehre und in den dafür notwendigen Serviceeinrichtungen wie Bibliotheken zu erzielen. Damit kommt der Personalplanung oder dem Personalmanagement eine überragende Bedeutung zu. Das Personalmanagement wird um so wichtiger, je mehr die Möglichkeit ausscheidet, Fehlbesetzungen im personellen Bereich dadurch zu kompensieren, daß für veränderte Aufgaben besser qualifiziertes Personal eingestellt wird.

    Beim Personalmanagement kann man in das strategische und in das situative Personalmanagement unterscheiden. Das strategische Personalmanagement hat zum Ziel, mittel- und langfristig das für die Erfüllung für notwendig gehaltener betrieblicher Aufgaben erforderliche Personal zu beschaffen und / oder bereitzustellen. Das situative Personalmanagement hat die Aufgabe, kurzfristig entstehende "Löcher" in der Personalausstattung zu "stopfen", wenn dies aktuell zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist und im Sinne des strategischen Personalmanagements notwendig ist.

    Ich will hier nur das strategische Personalmanagement behandeln. Dabei wird schnell deutlich werden, welche Konsequenzen sich daraus für die Personalentwicklungsplanung ergeben.

     

    2.2 Ausstattungsbezogene Aspekte des strategischen betrieblichen Personalmanagements: Ermittlung der für erforderlich gehaltenen Personalausstattung

    Grundlage des strategischen Personalmanagements sind drei Berechnungen: der Soll-Personalbedarf, der Personalbestand und der aktuelle oder mittelfristige Personalbedarf.

    Aufgrund betrieblicher Zielsetzungen wird ein Soll-Personalbedarf errechnet oder festgelegt, mit dem die Aufgaben erfüllt werden müssen. Der Soll-Personalbedarf ist somit die Gesamtheit der für notwendig gehaltenen Arbeitskräfte, also der langfristig erforderliche Soll-Personalbestand.

    Das haben wir an der Freien Universität Berlin gerade hinter uns. In der Strukturplanung ist festgelegt worden, daß die Freie Universität Berlin in Zukunft aus finanziellen Gründen mit etwa 360 Professorenstellen ihren Aufgaben in Forschung und Lehre gerecht werden muß. Das bedeutet gegenüber der bisherigen Ausstattung eine große Anpassung nach unten. Aus dem Soll-Personalbedarf an Professorenstellen wird dann durch Festlegung einer Ausstattungsrelation der Soll-Personalbedarf an wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern errechnet. Zugleich wird auch eine Relation für das Servicepersonal festgelegt, das diese Stellen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen soll. Der Soll-Personalbedarf an Sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern errechnet sich bei dieser Vorgehensweise also nicht aus der Art und Menge der tatsächlich zu leistenden Aufgaben, sondern aus finanziellen Gründen aufgrund von relationalen Vorgaben aus dem Bereich "Forschung und Lehre". Deswegen spreche ich von der "für erforderlich gehaltenen" Personalausstattung

    Der Personalbedarf in Forschung und Lehre sowie der Bedarf an diesen Bereich unterstützenden Sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind im Hinblick auf das gesetzte Betriebsziel (hier nenne ich schlagwortartig die Formulierung "Spitzenuniversität mit starker internationaler Ausrichtung", wie sie bei der Diskussion um die Hochschul-Strukturplanung zu vernehmen war) sowohl quantitativ wie qualitativ näher zu beschreiben. Daraus ergeben sich bestimmte "Anforderungsprofile" oder "Kompentenzprofile" für den vorhandenen wie zukünftigen Personalbestand.

    Auch der Personalbestand als die zweite Komponente dieses Personalmanagements läßt sich feststellen und quantitativ wie qualitativ im Hinblick auf das angestrebte Betriebsziel "Spitzenuniversität mit starker internationaler Ausrichtung" bewerten. Daraus ergibt sich zunächst das "Qualifikationsprofil" des vorhandenen Personalbestandes. Warum dies gegenwärtig nur ein grobes Qualifikationsprofil ist, werde ich später erläutern.

    Vergleicht man nun die Werte für den Soll-Personalbedarf und den Personalbestand miteinander, kann der aktuelle oder mittelfristige Personalbedarf berechnet werden. Liegt bei diesem Vergleich der Soll-Personalbedarf über dem Personalbestand, existiert eine durch Beschaffung weiteren Personals entsprechender Qualifikation zu deckende Personallücke. Liegt aber der Soll-Personalbedarf unter dem Personalbestand, ist diese Überdeckung im Personalbestand - vornehm ausgedrückt - als Freisetzungsvolumen zu benennen. In schlichterer und zugleich ehrlicherer Sprache handelt es sich aber um die Anzahl der durch stellenwirtschaftliche Maßnahmen zu verringernden Stellen. Dies kann auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen. Ich muß wohl nicht weiter ausführen, daß in der konkreten Situation der Freien Universität Berlin von einer Überdeckung im Personalbestand auszugehen ist. Der Personalbestand ist mittelfristig zumindest durch Nicht-Wiederbesetzen frei werdender Stellen abzubauen, so daß ich meine weiteren Überlegungen daran ausrichten kann.

    Ein Nebenaspekt des Nicht-Wiederbesetzens frei werdender Stellen ist die Prüfung, ob jeweils die freigewordene Stelle gestrichen werden soll oder diese Stelle dazu benutzt werden kann, um "Beförderungszüge" zu realisieren. Sie führen letztlich dazu, daß jeweils eine der am niedrigsten dotierten Stellen der jeweiligen Qualifikationsgruppe gestrichen wird. Werden solche Beförderungszüge realisiert, fällt das Einsparergebnis entsprechend niedriger aus. Andererseits können diese Beförderungszüge dazu dienen, Leistungsanreize durch eine bessere Bezahlung zu geben. Bei unserem spärlichen Angebot an Leistungsanreizen im Öffentlichen Dienst ist dies nicht unwichtig. Jedoch setzen hier Beamtenrecht und Tarifverträge mit den dort definierten Stellenkegeln und Unterstellungsverhältnissen Grenzen. Sie sollen verhindern, daß im Betrieb immer mehr "Häuptlinge" und immer weniger "Indianer" beschäftigt werden. Auch diese Grenzen müssen durch ein Personalmanagement ausgelotet und ausgenutzt werden.

     

    2.3 Dynamische Aspekte des strategischen betrieblichen Personalmanagements: Verringerung der Quantitäten durch Rückgang der Beschäftigtenzahl

    Planung ist immer die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Geschehens. Deshalb hat auch das planende Personalmanagement eine solche dynamische zeitablaufbezogene Komponente. Der Soll-Personalbedarf soll zu einem bestimmten Zeitpunkt realisiert sein. Für die Freie Universität Berlin kann hier auf der Grundlage der bisherigen Strukturdiskussion das Jahr 2003 als Planungszeitpunkt angenommen werden.

    Bis dahin können sich im vorhandenen Personalbestand einige Veränderungen ergeben. Sie sind als sichere Ereignisse oder als wahrscheinliche Ereignisse in der Planung zu berücksichtigen. Ein "sicheres Ereignis" ist zumindest für den Planungsbereich der Sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, daß bis dahin alle ausgeschieden sein werden, die das 65. Lebensjahr vollendet haben werden (wenn die gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich nicht geändert werden). Dadurch kann man eine bestimmte Mitarbeiterzahl sogleich abziehen. Dann muß aber stellenpolitisch sichergestellt sein, daß für diese ausscheidende Mitarbeiterzahl kein Ersatz eingestellt wird.

    Die "wahrscheinlichen Ereignisse", die Rückwirkungen auf den Personalbestand haben, lassen sich aber nicht so sicher einschätzen. Sie hängen auch in großem Umfang von den Bedingungen ab, die teils von außen für das personalwirtschaftliche Handeln gesetzt werden. Hier sind etwa die Vorstellungen eines "Goldenen Handschlags" oder die "58-Jahre-Regelung" für Angestellte oder die "55-Jahre-Regelung" für Beamte zu nennen. Ohne daß ich dies näher erläutern will, handelt es sich dabei um Maßnahmen, die darauf abzielen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein vorzeitiges Ausscheiden nahezulegen. Auch hier muß stellenpolitisch sichergestellt werden, daß für diese ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kein Ersatz eingestellt wird, um den angestrebten Einspareffekt zu erzielen. Zugleich gibt es auch Erfahrungswerte, die in die Planung einbezogen werden können. Viele weibliche Angestellte ziehen ein Ausscheiden aus dem Betrieb mit 60 Jahren in Betracht, wenn sie es sich von der zu erwartenden Rente her leisten können.

    Wenn es nur um den absoluten Wert der Personalkostensumme pro Jahr geht, kann man auch durch eine rigide Sparpolitik in der Besetzung von Vertretungsstellen die jährlichen Kosten niedriger halten als sie bei einer vollen Stellenbesetzung entstehen würden. Ein weiteres Mittel sind halbjährige oder noch längerfristigere Wiederbesetzungssperren, wie wir sie schon aus der Vergangenheit kennen.

     

    2.4 Untergrenzen für den quantitativen Abbau

    Die quantitative Analyse des erforderlichen Personalabbaus muß noch etwas erweitert werden. In den Bibliotheken haben wir es nicht mit einem qualitativ homogenen Personalbestand zu tun. Im wesentlichen sind es drei Qualifikationsgruppen:

    Betrachtet man die einzelnen Qualifikationsgruppen differenziert, wird erkennbar, daß wir es auch innerhalb der Qualifikationsgruppen keineswegs mit einer homogenen Struktur zu tun haben. Nicht nur im höheren Dienst, wo das Aufgabenspektrum vom Leitenden Bibliotheksdirektor bis zum Fachreferenten ohne Leitungsaufgaben reicht, auch im gehobenen Dienst und im mittleren Dienst sind unterschiedliche Aufgabenkomplexe mit einzelnen Personen und ihren Qualifikationen und Kompetenzen verbunden, die nicht ohne weiteres miteinander austauschbar sind.

    Es ist deshalb erforderlich, für diese drei Beschäftigtengruppen Untergrenzen festzulegen. Unter sie darf die Ausstattung nicht sinken, wenn die Erfüllung der betriebsbedingten Prozesse nicht unmöglich werden soll. Daraus ergeben sich, gemessen an der vorhandenen Personalausstattung in diesen Beschäftigtengruppen, für die Freie Universität Berlin unterschiedlich hohe Abbauquoten. So ist in einer groben Annäherung davon auszugehen, daß das Personal im höheren Dienst um 55 %, im gehobenen Dienst um 42 % und im mittleren Dienst um 20 % abgebaut werden muß, um eine strukturell ausgewogene Zielzahl von 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erreichen. Als Untergrenzen sind dann 20 Angehörige des höheren Dienstes, 100 Angehörige des gehobenen Dienstes und 160 Angehörige des mittleren Dienstes festzulegen, und zwar zunächst bezogen auf die Gesamtausstattung aller Bibliotheken der Freien Universität Berlin.

    Durch das Berücksichtigen solcher Untergrenzen habe ich in das strategische Personalmanagement neben der absoluten quantitativen Vorgehensweise, bei der durch Vergleichsbetrachtungen des Soll-Bestandes und des Ist-Bestandes bestimmte Strategien zur Angleichung von Soll und Ist verfolgt werden, nun die qualitative Seite mit unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitergruppen in die Betrachtung eingeführt. Denn offensichtlich geht es weniger darum, die Personalmenge nur insgesamt quantitativ anzupassen. Es geht vor allem darum, die erforderlichen Anforderungsprofile, die sich aus den betrieblichen Aufgaben herleiten, durch die entsprechende Qualifikation des dann noch erforderlichen Personals zu sichern.

     

    3. Folgen des notwendigen Personalabbaus für die Personalentwicklungsplanung

    Im strategischen Personalmanagement werden nun die sicheren oder wahrscheinlichen Personalrückgänge in der Personalausstattung zusammengeführt mit den Untergrenzen, die für eine aufgabengerechte Personalausstattung erforderlich gehalten werden. Und hierbei können für alle drei genannten Qualifikationsgruppen drei Rechenergebnisse möglich sein:

    was unmittelbare Konsequenzen für die Personalentwicklungsplanung hat.

     

    Wird mit dem Personalrückgang die festgelegte Untergrenze zum Planungszeitpunkt 2003 erreicht, so sind zumindest alle dann noch vorhandenen Kräfte jetzt in die Personalentwicklungsplanung einzubeziehen, da sie dauerhaft die notwendigen Qualifikationen besitzen müssen, um den Anforderungsprofilen zu entsprechen.

    Wird durch den Personalrückgang die festgelegte Untergrenze unterschritten, besteht ein notwendiger Bedarf an zusätzlichem, für das zu erfüllende Aufgabenspektrum qualifiziertem Personal. Dieses Personal kann durch mehrere Strategien beschafft werden, abhängig davon, welches Qualifikationsniveau betroffen ist. Eine Möglichkeit sind Neueinstellungen. Sie werden aber vermutlich so lange ausbleiben, wie die Gesamtpersonalkostensumme den angestrebten niedrigeren Wert nicht erreicht hat. Eher wird die Höherqualifikation des vorhandenen Personals angestrebt werden, beim Diplompersonal etwa die Qualifikation für Leitungsaufgaben auch größerer Bibliotheken oder für den mittleren Dienst Qualifikationen auch für die Bestandserschließung komplexerer Medieneinheiten.

    Hier werden die alten Forderungen nach der "Laufbahndurchlässigkeit" im Bibliotheksdienst zum Tragen kommen, ohne daß allerdings inzwischen gleichzeitig auch eine höhere Bezahlung garantiert ist. Auch das für den Bibliothekartag 1998 angekündigte "Berufsbild 2000" wird auf die Unterscheidung in verschiedene Laufbahnstufen verzichten, um deutlich zu machen, daß die Erfüllung bestimmter Tätigkeiten nicht von der Laufbahnstufe abhängt, sondern ausschließlich von der Kompetenz in der Wahrnehmung dieser Tätigkeiten. Zugleich wird auch deutlich, daß sich solche speziellen Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne einer Laufbahndurchlässigkeit nicht auf alle Angehörigen einer bestimmten Qualifikationsgruppe beziehen können, sondern nur auf einige wenige, die hierfür als besonders geeignet erscheinen.

    Wird allerdings die niedrigste Qualifikationsstufe durch den Personalrückgang unterschritten, muß entschieden werden, ob für bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch höherer Qualifikationsgruppen auf einzelne Qualifikationsmaßnahmen verzichtet wird, da diese Qualifikationen dauerhaft nicht für die Erledigung der Aufgaben erforderlich sind. Sie werden dann zumindest mit einem Teil ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten der unteren Qualifikationsgruppe verrichten müssen, um die Unterdeckung zu kompensieren.

    In diese gleiche Entscheidungsproblematik gerät der Betrieb im dritten Fall der Personalbedarfsermittlung, wenn nämlich festgestellt wird, daß durch den Personalrückgang in einer bestimmten Qualifikationsgruppe längerfristig nicht die angestrebte Zielzahl erreicht wird. Dann müssen die Betriebsverantwortlichen entscheiden: Sollen in die Personalentwicklungsmaßnahmen alle Angehörigen dieser Qualifikationsgruppe einbezogen werden, obwohl längerfristig diese Qualifikationen bei allen Angehörigen nicht benötigt werden? Muß eine Auswahl getroffen werden und nur das Personal qualifiziert werden, mit dem langfristig die Aufgaben erfüllt werden sollen? Was aber soll bei solchen Entscheidungen mit dem Personal geschehen, das nicht in die Personalentwicklungsmaßnahmen einbezogen wird? Gibt es für dieses Personal noch ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten ohne das höhere Qualifikationsniveau? Und wie ist mit dem Personal zu verfahren, das aufgrund tarifvertraglicher Regelungen oder aufgrund von Dienstvereinbarungen ab der Altersgrenze von 55 Jahren die Einarbeitung in neue EDV-gestützte Arbeitsverfahren ablehnen kann? Ich gebe zu, daß ich auf all diese Fragen auch noch keine schlüssigen Antworten habe. Es ist jedoch erkennbar, daß wir uns, auch im Interesse der Beschäftigten, nicht mehr lange um die Antworten drücken können.

    Ein vergleichbares Entscheidungsproblem besteht auch für das Personal, das zum Planungszeitpunkt, in unserem Fall also das Jahr 2003, ausgeschieden sein wird, die erforderliche höhere Qualifikation bereits vorher für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. In unseren bisherigen Überlegungen für das neue Integrierte Bibliotheksinformationssystem gehen wir davon aus, daß zumindest wesentliche Teile bereits Ende 1998, in der gesamten Freien Universität Berlin bis Ende 1999 eingeführt sein werden. Zur raschen Realisierung werden wir auch von außen gedrängt, etwa durch die bevorstehende Abschaltung des Verbundrechners beim Deutschen Bibliotheksinstitut, den wir bisher zur Unterstützung der EDV-gestützten Katalogisierung benutzen. Und für unser Ausleihsystem besteht keine Hoffnung, die Software nochmals so anzupassen, daß wir die für die älteren Softwareprogramme so entscheidende Klippe des "Jahr 2000-Sprunges", also das Umstellen auf vierstellige Jahreszahlen, schaffen. Wegen der Langfristberechnungen, mit denen dieses Programm arbeitet (in der Regel 2 Jahre im voraus), ist hiermit noch vor dem Jahresende 1999 Schluß. Wir müssen also mit der flächendeckenden Personalentwicklung jetzt beginnen, weil wir in relativ kurzer Zeit über die erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen verfügen müssen, mit denen das neue Integrierte Bibliotheksinformationssystem betrieben werden soll.

     

    4. Zentrales oder dezentrales Personalmanagement?

    In der bisherigen Diskussion um die Strukturreform des Bibliothekssystems an der Freien Universität Berlin ist gelegentlich die Frage gestellt worden, ob es eines zentralen Personalmanagements bedarf, um diese Strukturreform durchzusetzen. Ich denke, daß ich nachgewiesen habe, daß ein solches Personalmanagement nur als zentrale Aufgabe zu lösen ist. Damit sollen aber nicht die Probleme der Bibliotheksstrukturreform gelöst werden, sondern das Problem des notwendigen Personalrückgangs gemeistert werden, der auch ohne jede noch so kleine Strukturreform realisiert werden muß. Dabei müssen nicht nur alle in den Bibliotheken Beschäftigten in die Überlegungen einbezogen werden, sondern auch der Kreis der übrigen Sonstigen Beschäftigten, die durch den Wegfall ihrer bisherigen Aufgaben als Folge der starken Reduzierung der Forschung und Lehre an der Freien Universität Berlin in den "Personalüberhang" geraten. Ein dezentrales Personalmanagement muß hier zu kurz greifen, da es die Situation in anderen Bibliotheksbereichen oder der sonstigen Verwaltung nicht berücksichtigen kann. Der Stellenrückgang, der durch sichere oder erwartete Ereignisse eintritt, ist relativ zufällig über die gesamte Freie Universität Berlin verteilt. Ohne ein gesamtheitliches Personalmanagement können keine Ausgleichsmechanismen greifen, die sicherstellen, daß alle Bibliotheksbereiche langfristig funktionsfähig bleiben.

    Eine ganz andere Frage ist es, ob es dazu erforderlich ist, auch die unmittelbare Personalverwaltungskompetenz zu zentralisieren. Einigen Vorstellungen folgend sollen alle im Bibliotheksbereich etatisierten Stellen an einer Stelle zusammengefaßt werden. Ich habe schon mehrfach betont, daß ich eine solche Zentralisierung für nicht erforderlich halte, weil sonst die Fachbereiche als die unmittelbaren Träger der Forschung und Lehre aus ihrer Verantwortung für ihre ihnen direkt zugeordneten Serviceeinrichtungen, worunter die Bibliotheken oft die wichtigsten sind, entlassen werden. Dies setzt natürlich eine Identifikation der Fachbereiche mit der gesamten Universität voraus, woran es mir gegenwärtig in einigen Fällen zu mangeln scheint.

     

    5. Personalentwicklungsplanung

    5.1 Grundprinzip der Personalentwicklungsplanung

    Kommen wir nun nach diesen grundsätzlichen und notwendigen Feststellungen zum Personalmanagement und den darin enthaltenen Schwierigkeiten und offenen Fragen für die längerfristige Personalplanung der Freien Universität Berlin zur Personalentwicklungsplanung. Planung ist – ich wiederhole es - immer die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Geschehens. Personalentwickungsplanung versteht man demnach als die gedankliche Gestaltung eines Systems von Maßnahmen im Bereich der Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung, Verwendungsplanung und Verwendungssteuerung, der Aufstiegsplanung und Aufstiegssteuerung. Die Personalentwicklung (Kompetenzerweiterung) selbst ist das Ergebnis der geplanten Maßnahmen.

    Wichtig ist für jede Planung, daß man ein Ziel angeben kann, das mit dieser Planung erreicht werden soll. In unserem Fall sind aus der allgemeinen Zielsetzung, die unser Dienstleistungs-Handeln immer leiten sollte, nämlich die optimale Literatur- und Informationsversorgung für die Hochschule zu gewährleisten, weitere Ziele abzuleiten, die diese allgemeine Zielsetzung konkretisieren. Diese abgeleiteten Ziele sind, wie auch die allgemeine Zielsetzung, immer fremdbestimmt, das heißt von der Institution vorgegeben. Jedoch ist eine Beeinflussung der fremdbestimmten Ziele durch intensive Öffentlichkeitsarbeit möglich, wie es auch mit dem bereits genannten "Berufsbild 2000" versucht werden wird. Ich betone die Fremdbestimmtheit, weil eine selbstbestimmte Zielsetzung, etwa: "Ich will mich so qualifizieren, daß ich den Nutzen möglichst vieler Bibliotheksinformationssysteme für meine Arbeit bewerten kann!", in dem Moment eine für die Einrichtung Universität unnütze Zielsetzung ist, wenn die Entscheidung für ein konkretes Bibliotheksinformationssystem bereits gefallen ist oder nicht im Entscheidungsbereich dessen liegt, der sich diese Zielsetzung selbst vorgibt. Hier wäre eine selbstbestimmte Zielsetzung folgender Art viel nützlicher: "Ich will mich so qualifizieren, daß ich das vorhandene oder neu zu beschaffende Bibliothekssinformationssystem für meine Arbeit möglichst nutzbringend einsetzen kann!" Wenn man jedoch diese Zielsetzung genauer analysiert, wird man erkennen, daß dies genau die Zielsetzung ist, die auch fremdbestimmt vorgegeben wird: "Qualifiziere Dich so, daß Du das vorhandene oder neu zu beschaffende Bibliothekssinformationssystem für die Arbeit möglichst nutzbringend einsetzen kannst!" Hierbei ist allerdings dann der zielerfolgversprechende Tatbestand zu registrieren, daß das fremdbestimmte und das selbstbestimmte Ziel übereinstimmen und insoweit keine Zielkonkurrenzen bei der Zielverfolgung auftreten werden.

     

    5.2 Personalentwicklung als Investitions- und Kostenproblem

    In den allgemeineren Ausführungen zum Personalmanagement wurde deutlich, daß aus der Notwendigkeit, Personalentwicklung als "Überlebensstrategie" für den Betrieb zu betreiben, keineswegs geschlossen werden kann, daß nun das gesamte, gegenwärtig verfügbare Personal in die Personalentwicklungsmaßnahmen einbezogen werden muß. Andererseits können sich Personalentwicklungsmaßnahmen auch auf einen Personenkreis innerhalb der Universität richten, der bisher noch nicht in den Bibliotheken gearbeitet hat, dies aber zukünftig tun werden muß, um den Arbeitsplatz innerhalb der Universität nicht zu verlieren. Bevor es zu einem solchen Abbau des Personals aus "betriebsbedingten", weil den betrieblichen Anforderungen nicht genügenden oder nicht mehr entsprechenden Gründen kommt, sollte im Rahmen der gesamten betrieblichen Personalentwicklungsplanung versucht werden, das vorhandene Personal auf ein den Anforderungen gerecht werdendes Qualifikationsniveau zu bringen. Das muß nicht immer ein höheres Qualifikationsniveau sein, wenn man an den Bereich der Umschulung denkt.

    Die Frage nach dem Umfang des Personenkreises, der in die Personalentwicklungsplanung einbezogen wird, stellt sich für den Betrieb auch deswegen, weil hierdurch Kosten in nicht unerheblichem Umfang entstehen. Für "Schulungen" im Hinblick auf die Einführung des neuen Integrierten Bibliotheksinformationssystems rechnen wir mit einem Betrag von fast einer Million DM, wobei die Kosten für den betriebsinternen Schulungsaufwand noch nicht mitgerechnet sind. Zum Vergleich: Für Qualifizierungsmaßnahmen wurden in der gewerblichen Wirtschaft 1997 pro Kopf etwa 1.500 DM aufgewendet

    Oben habe ich darauf hingewiesen, daß das Personal der Universität der teuerste "Produktionsfaktor" überhaupt ist, da er drei Viertel der Gesamtkosten des Betriebes verursacht. In diesen auch "Humankapital" genannten Produktionsfaktor ist im Interesse der Marktbehauptung zu investieren, auch durch Personalentwicklungsmaßnahmen. Nun wird eine Investition unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur dann vorgenommen, wenn sie sich langfristig rentiert. Der Ertrag muß die dafür aufwendeten Kosten mindestens decken, erwartungsgemäß aber übersteigen. In der Investitionsrechnung wird hierfür die Kennzahl "return on invest" benutzt. Bei Entscheidungen, in welchem Umfang das vorhandene Personal in ein nicht alle Personen umfassendes abgestuftes System von Personalentwicklungsmaßnahmen einbezogen wird, wird deshalb eine Rolle spielen, wie lange der Betrieb noch die Investitionen in die neue oder höhere Qualifikation nutzen kann.

    Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß im Gegensatz zu Investitionen in Maschinen und dergleichen "toten" Betriebsmitteln die Menschen keine ewig währende Bindung an den Betrieb eingehen müssen. Sie wollen Aufstiegschancen oder auch nur abwechslungsreichere Tätigkeiten in anderen Betrieben wahrnehmen können. Es ist daher nicht unüblich, die Ausbildung für bestimmte Qualifikationen mit einer befristeten Zusage zur Betriebszugehörigkeit zu verbinden. Für den Fall des vorfristigen Ausscheidens wird vereinbart, daß zumindest ein Teil der Ausbildungskosten vom Ausgebildeten zurückerstattet wird. Für die Verwaltungsinspektoren unserer Universität gibt es z. B. eine vergleichbare Regelung.

    Andererseits kann trotz des Kostenaufwandes die Ausbildung "überzähligen" Personals dennoch langfristig lohnend sein. Wenn festgestellt wird, daß auch längerfristig der Personalrückgang den Personalbestand nicht auf die angestrebte Zielzahl reduzieren wird, wird der Druck zunehmen, sich von "überzähligem" Personal zu trennen. Dies wird um so leichter möglich sein, je qualifizierter dieses Personal ist. Daher kann es gerade bei Verzicht auf "betriebsbedingte Kündigungen" eine Zielsetzung der Personalentwicklungsmaßnahmen sein, zur längerfristigen Kosteneinsparung die Investitionen in das Humankapital zu forcieren, um solche Abwanderungseffekte zu ermöglichen. Geht man bei diesen Überlegungen noch etwas weiter, könnte der zur Übernahme dieses Personals bereite Betrieb aufgefordert werden, einen Teil der Investitionskosten zurückzuerstatten. Im täglichen Leben ist dies bei den Transfers von Sportlern von einem Verein zum anderen ein geübter Brauch.

    Das in der Freien Universität Berlin erforderliche Personalmanagement ist kein isolierter Prozeß, der allein von ihr gestaltet wird. Im Berliner Hochschulgesetz ist ein neuer Paragraph 88 b eingeführt worden, der das gemeinsame Personalmanagement der staatlichen Hochschulen fördern soll. Für unsere bibliotheksspezifischen Fragen ist dabei nicht unwesentlich, daß die großes Hochschulen verpflichtet sind, ein in den Grundzügen einheitliches Bibliotheksinformationssystem zu beschaffen. Daher werden die in einer Universität für die Bedienung dieses Systems qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es in Zukunft viel leichter haben, in eine andere Hochschule zu wechseln, da sie dort die relativ gleichen Arbeitsstrukturen vorfinden werden.

     

    5.3 Personalentwicklungsplanung als abgestuftes System von Bildungsangeboten

    Ich habe die Personalentwickungsplanung als die gedankliche Gestaltung eines Systems bezeichnet. Es besteht aus Maßnahmen im Bereich der Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung, Verwendungsplanung und Verwendungssteuerung, der Aufstiegsplanung und Aufstiegssteuerung. Wichtig ist mir daran zunächst, daß es sich bei den geplanten Maßnahmen um ein System handeln muß, in dem die einzelnen Maßnahmen aufeinander bezogen sind. Dann kann man auch festlegen, welche Schritte und Maßnahmenfolgen innerhalb dieses Systems aufeinander folgen müssen, um den geplanten Effekt einer persönlichen Entwicklung zu erreichen. Greift man die Berliner Überlegungen zur Beschaffung eines in den Grundzügen gemeinsamen Bibliotheksinformationssystems auf, so kann dieses System auch ein überörtlich konzipiertes System sein.

    Eine solche Stufenfolge ist im Bereich der Alphabetischen Katalogisierung erkennbar: alle EDV-gestützten Katalogisierungssysteme höherer Qualität arbeiten mit einem sehr differenzierten Kategoriensystem. Es baut auf einem bestimmten Regelwerk, seien es die deutschen RAK-WB oder die anglo-amerikanischen AACR, auf. Man kann ein solches EDV-gestütztes System nur sinnvoll anwenden, wenn man vorher die Regelwerke selbst gelernt hat. Das Erlernen der Regelwerksanwendung wäre also in einem Schulungssystem mit dem Qualifizierungsziel der selbständigen Katalogbearbeitung ein Schritt, der vor dem Erlernen des sog. Handlings einer EDV-gestützten Katalogisierung liegen muß.

    Einen Schritt davor liegt die notwendige Schulung im Umgang mit dem PC. Er ist nicht mehr nur eine Art elektronische Schreibmaschine, sondern hat, zunächst mit der Einführung der Benutzeroberfläche WINDOWS, dann durch das darauf aufbauende Betriebssystem WINDOWS eine völlig neue Arbeitsqualität gewonnen. Ich vergleiche dies gelegentlich mit dem Erlernen einer neuen Kulturtechnik, wie sie das Lesen und das Schreiben darstellen. Windows und die "Maus" werden damit unverzichtbare Bestandteile des Bedienens solcher EDV-gestützter Katalogisierungssysteme sein.

    Da ich hier nicht das Gesamtsystem der Personalentwicklungsmaßnahmen ausbreiten kann (auch weil es in dieser Form noch nicht strukturiert ist), hoffe ich mit diesen wenigen Beispielen deutlich gemacht zu haben, wie durchdacht und systematisch Ausbildung und Weiterbildung angelegt sein müssen, um eine persönliche Personalentwicklung und Kompetenzverbreiterung zu bewirken. Ich will es mit diesen Beispielen auch genug sein lassen, weil ich noch auf eine weitere grundlegende Voraussetzung für eine Personalentwicklungsplanung eingehen muß, die gegenwärtig nicht nur an der Freien Universität Berlin nur in groben Ansätzen vorhanden ist.

     

    5.4 Informatorische Grundlagen der Personalentwicklungsplanung

    Grundlage einer wirkungsvollen zielgerichteten Personalpolitik und damit auch der Personalentwicklungsplanung ist einerseits die Kenntnis über die gegenwärtig und zukünftig erwartbaren Anforderungsprofile und andererseits die Kenntnis über die verfügbaren Qualifikationen.

    Wie Anforderungsprofile beschrieben werden können, habe ich eben skizziert. Dabei muß bedacht werden, daß auch die Anforderungsprofile einer zeitlichen Dynamik unterliegen. Bestimmte, zum jetzigen Zeitpunkt erforderliche Anforderungen können dauerhaften Bestand haben, andere Anforderungen werden im Zeitablauf an Bedeutung verlieren und neue, bisher noch nicht einmal definierbare Anforderungen können das zukünftige berufliche Handeln bestimmen. Man denke dabei etwa an das INTERNET, das vor etwa drei Jahren in unserem Berufsalltag nur eine Randerscheinung war und heute schon aus dem qualitätsorientierten Berufsalltag nicht mehr wegzudenken ist. Personalentwicklungsplanung ist deshalb ein fortwährender Prozeß. Das ist auch keine grundlegend neue Erkenntnis. Ausbildung und Fortbildung haben im Berliner Bibliothekswesen eine lange Tradition, wie es die Existenz und die vielfältigen Aktivitäten des FU-Referates für Weiterbildung beweisen, das zugleich ein gelungenes Beispiel für eine überörtliche Kooperation auf diesem Gebiet ist.

    Auf der anderen Seite, auch wegen der oben beschriebenen Kostenproblematik, soll eine personenorientierte Personalentwicklungsplanung auch nur da ansetzen, wo Lücken zwischen den Anforderungen und den vorhandenen Qualifikationen geschlossen werden müssen. Bei der oben stehenden einfachen Darstellung von strukturierter Titelerfassung mit Hilfe des Regelwerkes RAK-WB und bei der Schilderung von WINDOWS und Maus werden sich einige Leserinnen und Leser gefragt haben, ob das alles sei, was man können müsse. Diese Leserinnen und Leser sind eben schon entsprechend qualifiziert und kompetent. Man muß sich jedoch darüber im Klaren sein, daß es an der Universität viele andere Kolleginnen und Kollegen gibt, die immer noch fleißig mit der Schreibmaschine Titelkärtchen nach den "Preußischen Instruktionen" anfertigen. Das müssen sie nicht unbedingt aus eigenem Antrieb tun. In vielen Fällen fehlt es bisher an der materiellen Ausstattung, anders zu verfahren, und auch die Begrenztheit unseres Zugang zum bisherigen Berliner Katalogisierungsverbund hat bisher die Entwicklung in den Fachbibliotheken der Freien Universität Berlin massiv blockiert. Es ist aber nicht auszuschließen, daß in diesen Bibliotheken schon aus der Ausbildung, sonst aber in Weiterbildungskursen erworbene ausreichende theoretische Erfahrungen mit diesen Techniken vorliegen, um sofort damit beginnen zu können.

    Die letzte Formulierung "es ist aber nicht auszuschließen, daß ..." zeigt die Problematik, in der wir für die Personalentwicklungsplanung stecken. Wir haben an der Freien Universität Berlin kein Personalinformationssystem, das uns hinreichend genaue Auskunft über die Qualifikationen des Personals gibt. Wir können zwar an den tariflichen Einstufungen erkennen, was wir von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten können. So soll die Vergütungsgruppe BAT VIb nur gewährt werden, wenn der Stelleninhaber Tätigkeiten wahrnimmt, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Bibliotheksdienst und in nicht unerheblichen Umfange selbständige Leistungen erfordern. Was er aber genau tut und wie er diese Kenntnisse in die Arbeit einbringt, ist nicht bekannt. Und da im Angestelltenbereich auch die regelmäßige dienstliche Beurteilung nicht stattfindet, können daraus auch keine Informationen über persönliche Stärken und Schwächen gewonnen werden.

    Für eine differenzierte Personalentwicklungsplanung, die auf vorhandenen Kenntnissen aufsetzt und zugleich eine Einschätzung über das Qualifizierungspotential ermöglicht, ist die bloße Orientierung an der Eingruppierung natürlich viel zu wenig. Mit der Qualifikation wird eben nicht nur eine tarifliche Eingruppierung bezeichnet. Die "Qualifikation" umfaßt das gesamte Leistungspotential eines Mitarbeiters: seine Eignungen, seine Arbeitskenntnisse, seine motivational bedingten, auch an die individuelle Arbeitssituation geknüpften individuellen Ziele und Erwartungen. Auch seine weitere Anlagen, die ihn befähigen, Anforderungen gerecht zu werden, die die künftige Arbeitssituation an ihn stellen wird, spielen für die Einschätzung des Qualifikationspotentials eine Rolle.

    Um sich hierüber ein Bild von über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bibliotheksbereich der Freien Universität Berlin zu machen, bedarf es deshalb zunächst einer umfassenden "Qualifikationsdiagnose". Wie diese durchzuführen ist, kann nicht allein von der Betriebsführung entschieden werden. Es bedarf auch der Abstimmung mit der Personalvertretung, hier dem Gesamtpersonalrat.

    Bei dieser Abstimmung wird man sich auch über die Verfahren einigen müssen, die bei der Qualifikationsdiagnose angewendet werden. Es wird darüber hinaus zu entscheiden sein, ob man selbst die Diagnose durchführt oder sie einem in diesen Fragen spezialisierten Institut überträgt. Ganz Verwegene könnten sogar auf die Idee kommen, sich hier der Mithilfe eines hochschuleigenen Instituts, etwa des Instituts für Wirtschafts- und Erwachsenenpädagogik, zu versichern.

    Zur Anwendung könnten zwei wesentliche Gruppen von Diagnoseverfahren kommen:

    Viele der hier genannten Punkte machen deutlich, daß ohne eine Zustimmung der Personalvertretung kein Diagnoseverfahren durchführbar ist. Deshalb gibt es eine Arbeitsgruppe "Personalentwicklungsplanung" (PEP), an der neben der Hochschulleitung und der Zentralen Universitätsverwaltung auch der Gesamtpersonalrat beteiligt ist. Auf diese Arbeitsgruppe ist vom Gesamtpersonalrat mehrfach hingewiesen worden, ohne daß es bereits greifbare Ergebnisse gibt. Ähnliche Bemühungen sind in allen Berliner Hochschulen festzustellen, sicherlich auch als Reaktion auf die genannte Änderung des Berliner Hochschulgesetzes mit dem neu eingeführten Paragraphen 88 b (Gemeinsame Personalmanagementliste), der die Hochschulen zu einer gemeinsamen Personalbörse verpflichtet. Der Personalrat der Fachhochschule für Technik und Verwaltung hat im April 1997 eine entsprechende Dienstvereinbarung zur Personalentwicklungsplanung vorgelegt, die auch im ()Internet (http://www.fhtw-berlin.de/PR/pr_zeitung8.html) nachzulesen ist.

    Der Gesamtpersonalrat der Freien Universität Berlin hat am 3.2.1998 den Entwurf einer "Rahmendienstvereinbarung über die Reorganisation der Freien Universität Berlin" vorgelegt, die demnächst Gegenstand der hochschul-internen Diskussion sein wird. Der dortige Paragraph 6 zeigt, daß viele der hier vorgetragenen Überlegungen auch die Zustimmung des Personalrates finden können.

    Das im Entwurf der Rahmendienstvereinbarung in Paragraph 6, Ziffer 10 vorgeschlagene Diagnoseverfahren (dort "Ist-Aufnahme der Fähigkeitsprofile" genannt) lautet:

    "10. Die Ist-Aufnahme der Fähigkeitsprofile der Beschäftigten bzw. der Stellenbewerberinnen und –bewerber erfolgt unter Berücksichtigung ihrer Wünsche bezüglich möglicher zukünftiger Einsatzgebiete, gegliedert nach:

    Die elektronische Verarbeitung dieser Daten ist vorgesehen.

     

    Neben der Einmalerhebung in Form einer aufwendigen Qualifikationsdiagnose muß zugleich sichergestellt werden, daß die gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert und abrufbar und verarbeitbar gespeichert werden. Nur so können persönliche Weiterentwicklungen auch dokumentiert werden und als Eingangsgröße für Entscheidungen über weitere Fortbildungsmaßnahmen, für Versetzungen, Umsetzungen und sonstige personalpolitische Maßnahmen genutzt werden. Neben der erheblichen Schwierigkeit, für die Speicherung solcher personenbezogenen Daten die Zustimmung der Personalvertretung zu erreichen, treten auch allgemeine datenschutzrechtliche Probleme in den Vordergrund, die einem Mißbrauch der so gewonnenen Daten einen Riegel vorschieben sollen.

    Nicht zuletzt bedarf diese Qualifikationsdiagnose auch der eingehenden psychologisch gestützten Vorbereitung. Vor allem beim Eingeständnis von persönlichen Schwächen, die zu kennen ja für die Personalentwicklungsplanung von größter Wichtigkeit ist, müssen Ängste ausgeräumt werden müssen, daß eine zu ehrliche Antwort arbeitsplatzgefährdend wäre. Vergessen wir dabei nicht, daß die Personalentwicklung an der Freien Universität Berlin gleichzeitig von einem massiven Personalabbau begleitet wird!

    Neben den Vorteilen für eine gezieltere Förderungsmöglichkeit einzelner Personen kann ein wesentlich ausgebauteres Personalinformationssystem auch die im Zuge des vorerst stetigen Personalabbaus erforderlichen Umsetzungsentscheidungen erleichtern. Wegen des Zufallsprinzips beim Personalrückgang kann die Personal-Sollausstattung in einzelnen Bibliotheksbereichen unter einen noch zu definierenden Wert sinken. Deshalb muß für einen Ausgleich innerhalb des Bibliothekssystems gesucht werden.

     

    Schluß

    Unter dem Thema "Überlegungen zur Personalentwicklungsplanung am Beispiel der Freien Universität Berlin" habe ich kaum über das System der Personalentwicklungsmaßnahmen oder einzelne Maßnahmen selbst referiert, sondern im wesentlichen über die Voraussetzungen und Randbedingungen, die für einen solchen Maßnahmenkatalog und seine Umsetzung gegeben sind.

    Ich halte es hier mit den griechischen Philosophen: bevor man über eine Sache spricht, sollte man gemeinsam die Voraussetzungen klären, unter denen man darüber spricht. Für mich ist offensichtlich, daß hier noch viel Arbeit aufgewendet werden muß, um Festlegungen und Entscheidungen zu treffen, unter denen eine ziel- und erfolgsorientierte Personalentwicklungsplanung an der Freien Universität Berlin durchgeführt werden kann.

     

     

    Einführende Literaturhinweise:

    Berthel, Jürgen: Personalplanung. In: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft. Bd. 6. (1981), S. 55-66.

    Thom, Norbert: Personalentwicklung und Personalentwicklungsplanung. In: Handwörterbuch des Personalwesens (1992), Sp. 1676-1690.

    Gerum, Elmar: Personalwirtschaft öffentlicher Unternehmen. In: Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft (1989), Sp. 1253-1262.

    Handbuch Personal- und Entwicklungsplanung – Hrsg.: Heeg; Münch. – Stuttgart: Klett, 1993. - 463 S.

    Berthel, Jürgen: Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit. 4. überarbeitete und erweiterte Aufl. – Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1995. – XXI, 516 S.

    Drumm, Hans Jürgen: Personalwirtschaftslehre. 3. Aufl. – Berlin u. a.: Springer, 1995. – XXVI, 741 S.

    Einsatz von Informationstechnik im Personalamt der Stadt Dortmund: Mitgliederbericht. – Bonn: Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, 1989. (KGSt-Bericht ; Nr. 13/1989)

    Rubin, Richard E.: Human resource management in libraries: theory and practice. – New York: Neal-Schuman Publ., 1991. – VII, 430 S.

    Developing library staff for the 21st Century / Maureen Sullivan, guest ed.- (Journal of library administration, Vol. 17, No.1 (1992) (Special issue).


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