Ulrich Naumann
Entwicklung des FU-Bibliothekssystems in den vergangenen zwanzig Jahren im Überblick
Einleitung
"Habent sua fata libelli", so wird gerne eine historische Darstellung zur Geschichte eines einzelnen Buches oder einer Büchersammlung eingeleitet oder beendet. Auf unsere Überlegungen angewandt könnte man diesen Spruch in "habent sua fata bibliothecae" abwandeln, denn die Geschichte der Bibliotheken der Freien Universität Berlin ist gekennzeichnet durch Wachsen und Sterben. Einige Bibliotheken sind aus sich heraus gewachsen, andere Bibliotheken haben ihre Wachstumsschübe aus der Übernahme fachlich verwandter Bibliotheken gewonnen. Eine dritte Gruppe von (virtuellen) Bibliotheken ist (noch) nicht mehr als ein gemeinsames (organisatorisches) Dach noch unverbunden nebeneinander stehender Bibliotheken. Eine vierte Gruppe enthält zwar nicht untergegangene, aber anderen Unterhaltsträgern zugeordnete Bibliotheken, die somit nicht mehr zum Kreis der FUB-Bibliotheken gezählt werden können.
Wollte man eine Geschichte der Bibliotheken der Freien Universität Berlin schreiben, müßte man sechs Themenkreise berücksichtigen:
- die Entwicklung der Organisation, hier vor allem die Bibliotheksbereichsbildung
- die Etatentwicklung
- die Personalentwicklung
- die Erwerbungsentwicklung
- die Entwicklung des Technikeinsatzes
- die für diese Bibliotheken agierenden Personen.
Die Entwicklung des Bibliothekssystems der FUB anhand der fünf erstgenannten Themen umfassend darzustellen, kann nur gelingen, wenn man bei den einzelnen Fachbereichen - auch unter Berücksichtigung der dortigen strukturellen Änderungen im Zeitablauf - beginnt und gleichsam zunächst jeden Fachbereich getrennt behandelt. Aus den einzelnen so gewonnenen unterschiedlichen Facetten kann dann versucht werden, ein Gesamtbild der Entwicklung nachzuzeichnen. Diese Geschichte des Bibliothekswesens an der FUB ist noch nicht geschrieben, und ohne weiteres Aktenstudium und Befragungen der Beteiligten auch schwerlich zu schreiben 1). So muß dieser - im Rahmen dieser Publikation notwendig kurze - Beitrag "oberflächlich" bleiben. Völlig ausgeschlossen ist es, auch nur mit kurzen biographischen Abrissen das Wirken einzelner Persönlichkeiten für (und gegen) die Bibliotheken der Freien Universität Berlin zu würdigen.
Hinzu kommt, daß eine Bibliotheksgeschichtsschreibung für die Freie Universität Berlin auch das "Dunkel" der ersten 25 Jahre erhellen müßte, denn eine Quelle von 1956 2) nennt insgesamt 51 Bibliotheken, deren Zahl sich dann wundersamerweise bis 1975 3) auf insgesamt 218 Bibliotheken vermehrt hat. Es würde demnach nicht genügen, nur die letzten zwanzig Jahre in die Betrachtung einzubeziehen, sondern man müßte auch untersuchen, wie die Entwicklung von 1948 bis 1975 abgelaufen ist, um das darauf zeitlich Folgende zu verstehen.
Die Freie Universität Berlin ist erst auf dem Weg, ein einheitliches Bibliothekssystem zu bilden, wenn auch in den letzten Jahren Ansätze dafür erkennbar geworden sind. Ein Meilenstein waren die 1987/1988 erarbeiteten Erwerbungsabsprachen, bei denen alle bibliothekarischen Einrichtungen an vielen Tischen zusammengebracht wurden und wenigstens für die einzelnen Fachgebiete zu Absprachen koordinierten Sammelns kamen. Ein weiterer Meilenstein war die Überarbeitung der "Grundkonzeption" von 1974 zur "Bibliotheksordnung" von 1991. Ein dritter Meilenstein ist die Arbeit zur Schaffung eines gemeinsam zu handhabenden Integrierten Bibliotheksverwaltungssystems.
Die im Titel dieses Beitrags genannte Betrachtungsgrenze "in den vergangenen zwanzig Jahren" kann auch damit begründet werden, daß erst seit 1973 eine Dokumentation der einzelnen Bibliotheken durch die regelmäßig veröffentlichten Bibliotheksstatistiken und den darauf aufbauenden Bibliothekenführer der FUB einsetzt, die für ein Nachzeichnen der Geschichte hilfreich, aber nicht ausreichend sind.
Entwicklung der Organisation: Bibliotheksbereichsbildung - Reduzierung von 218 Bibliotheken (1975) auf 101 Bibliotheken (1996)
So wie die Zahl von 218 Einrichtungen im ersten Bibliothekenführer von 1975 ein "Etikettenschwindel" war, so ist auch die Zahl von 101 Bibliotheken im neuesten Bibliothekenführer von 1996 4) ein "Etikettenschwindel". Wurden 1975 auch kleinste Einrichtungen als Bibliotheken aufgeführt (ein Bestand unter 100 Bänden war noch verzeichnenswert), verzichtet der Bibliothekenführer 1996 auf die Nennung aller Bibliothekseinrichtungen unter 1.000 Bänden, weil ihnen schwerlich ein Bibliotheksstatus zuerkannt werden kann. Wer sich darüber hinaus in den Dienstzimmern der Wissenschaftler an der Freien Universität Berlin umsieht, findet dort oft "Handapparate" von einem Umfang, der 1975 noch als eigenständige Bibliothek gezählt worden wäre. Die Zahl der Literatur(sonder)standorte ist demnach beträchtlich höher als es die vorgelegten Statistiken ausweisen.
In Wahrheit sind es 1996 demnach etwas mehr "Bibliotheken": die von mir geführte Bibliotheksstatistik, die alle bibliothekarischen Einrichtungen erfaßt, richtet sich bei der Datenerhebung an 110 Bibliotheken und 4 Online-Informationsvermittlungsstellen. Ohne auf die strukturellen Veränderungen an der Freien Universität Berlin in den letzten zwanzig Jahren näher eingehen zu können, ist festzustellen, daß der Rückgang von 218 auf 101 Bibliotheken im wesentlichen nur auf die Aktivitäten von zwei Fachbereichen zurückzuführen ist: dem Klinikum Benjamin Franklin, bei dem alle Bibliotheken der dortigen Medizinischen Bibliothek zugeordnet wurden, und dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der die zahlreichen Kleinstbibliotheken in die Wirtschaftswissenschaftliche Bibliothek integriert hat. Einen bedeutenden, nicht nur statistischen Verlust brachte 1994 die Verlagerung des Klinikums Rudolf Virchow an die Humboldt-Universität zu Berlin mit 19 Bibliotheken.
Die Entwicklung der Bibliotheksstruktur wird noch deutlicher, wenn man die Binnendifferenzierung nach Bibliotheksgrößenklassen einer genaueren Betrachtung unterzieht. So befinden sich 1974 noch 26 Bibliotheken in der Größenklasse von 0-499 Bänden, während 1995 dort keine Bibliothek mehr verzeichnet wird. Nimmt man einen etwas größeren Bereich bis insgesamt 3.000 Bänden Bestand, ist die Zahl von 79 Bibliotheken 1974 auf nur noch 10 Bibliotheken 1995 zurückgegangen. Auf der anderen Seite sind 1974 4 Bibliotheken in der Größenklasse zwischen 100.000 und 499.999 Bänden zu finden, während es 1995 nun 18 Bibliotheken sind. Aber zur Erinnerung: Habent sua fata bibliothecae! Es wäre nun im einzelnen zu untersuchen welche Ursachen zum Untergang und zum Wachstum geführt haben, was hier verständlicherweise nicht geleistet werden kann. Um einen Überblick über die Entwicklung 1974-1995 zu geben, wird eine Zusammenstellung der Größenentwicklung als Anlage 1 beigefügt.
Im übrigen wird der Freien Universität Berlin gern von ihrem Bibliothekssystem Fernstehenden vorgeworfen, sie unterhalte ein überdimensioniertes zweischichtiges Bibliothekssystem. Versucht man hier einen bundesrepublikanischen Vergleich 5), ist festzustellen, daß die Freie Universität Berlin mit 101 Bibliotheken nur den Rangplatz 18 einnimmt. Weit an der Spitze liegt die Maximilians-Universität in München mit 200 Bibliotheken. Aber man muß den Blick nicht soweit richten, um größere Bibliothekssysteme zu ermitteln: in Berlin liegen die Technische Universität Berlin mit 140 Bibliotheken und die Humboldt-Universität zu Berlin mit 111 Bibliotheken noch vor der Freien Universität Berlin!
Die Probleme, die für die Freie Universität Berlin, trotz des niedrigen Rangplatzes bei der Zahl der Bibliotheken insgesamt gesehen werden, offenbaren sich, wenn man andere Kennziffern in der zitierten Tabelle 03 der Deutschen Bibliotheksstatistik nach Rangplätzen ordnet: Mit 19 Bibliotheken mit Bestandsgrößen von jeweils mehr als 100.000 Bänden, mit einem Bestand von mehr als 7,6 Millionen Medieneinheiten, mit der Zahl von mehr als 33.000 laufenden Zeitschriftenabonnements, mit über 15 Millionen DM Ausgaben für Erwerbung und mehr als 450 Personalstellen liegt dieses Bibliothekssystem 1995 jeweils auf Rangplatz 1.
Etatentwicklung
Eben wurde erwähnt, daß im bundesrepublikanischen Vergleich der Erwerbungsetat der Freien Universität Berlin mit 15,3 Millionen DM einen Spitzenplatz einnimmt. Als nächstes folgt die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (14,8 Mio. DM), die aber mit einer Vielzahl von Sondersammelgebieten "belastet" ist, die zum Teil aus in dieser Summe enthaltenen DFG-Mitteln finanziert werden. Die übrigen Bibliothekssysteme folgen in beträchtlichem Abstand.
Vergleicht man die Entwicklung des gesamten für die Bibliotheken der Freien Universität Berlin zur Verfügung gestellten Erwerbungsetats für den Zeitraum 1976 bis 1995, ist eine Steigerung von 11,1 Millionen DM auf zuletzt 15,3 Millionen DM feststellbar. Hier gibt es keine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung. Seit 1993 ist ein Abwärtstrend beobachtbar, nachdem in 1993 noch eine Summe von 18,4 Millionen DM bereitgestellt werden konnte. Es ist zu hoffen, daß dieser Abwärtstrend bei einer Gesamtsumme von 9,5 Millionen DM zum Stillstand gebracht werden kann. Eine genauere Untersuchung müßte zudem in die "regulären" Etatzuweisungen und die Sondermittelzuweisungen, die im Spitzenjahr 1993 den Betrag von über 3,8 Millionen DM erreichten 6), differenzieren.
Setzt man den Erwerbungsetat 1976 auf den Indexwert 100, liegt der Erwerbungsetat 1995 noch nominal um 38 Punkte über diesem Indexwert. Um die Möglichkeiten der Literaturbeschaffung mit diesem Etat realistisch einschätzen zu können, ist es zweckmäßig, einen preisbereinigten Index zu berechnen. Wenn man ein durchschnittliches jährliches Ansteigen der Literaturpreise um 6 % über alle Fachgebiete annimmt, erhält man einen preisbereinigten Indexwert für 1995 von 45 Indexpunkten gegenüber dem Etat für 1976. Mit anderen Worten: mit dem Etat des Jahres 1995 konnten nur noch 45 % des Erwerbungsvolumens von 1976 realisiert werden. Und wenn man schon am Rechnen ist: Wollte man 1995 den gleichen Erwerbungsumfang wie 1976 realisieren, wäre dafür die utopisch anmutende Summe von 33,5 Millionen DM erforderlich gewesen.
Die Literaturversorgungsmöglichkeiten mit aktueller Literatur haben sich im Jahr 1995 gegenüber dem Jahr 1976 also erheblich verschlechtert. Eine Übersicht über die Entwicklung des gesamten Erwerbungsetats gibt die als Anlage 2 beigefügte Tabelle.
Personalentwicklung
Das Bibliothekssystem der Freien Universität Berlin ist in den letzten zehn Jahren um 1,4 Millionen Bestandseinheiten gewachsen. Die Zahl der Studierenden hat zwischenzeitlich die Grenze von 60.000 überschritten, wird allerdings gegenwärtig stark heruntergefahren. Diese mengenmäßigen Veränderungen, die zugleich eine stärkere Inanspruchnahme der Bibliotheken in der Buchausleihe und der Präsenzbenutzung bis hin zum notwendigen Anbieten längerer Öffnungszeiten mit sich brachten, haben sich kaum in einer veränderten Ausstattung mit Personal niedergeschlagen.
Vergleicht man die Entwicklung des Personalbestands zwischen 1987 und 1995, läßt sich feststellen, daß sich der Rückgang von 594 Stellen auf 538 Stellen im wesentlichen in zwei Personalkategorien vollzog: beim Höheren Dienst, hier vor allem durch die Abgabe von Einrichtungen aus dem Archiv- und Dokumentationsbereich durch Veränderung der strukturellen Zuordnung, nicht durch den tatsächlichen Wegfall von Stellen, und beim mittleren Dienst, wo bei den Streichungsauflagen des vergangenen Jahrzehnts die höhere Fluktuation in diesem Personalsektor genutzt wurde, um die Kürzungsauflagen zu erfüllen. Der mehr zufallsbedingte Wegfall von Stellen des mittleren Dienstes wird sich aber auf Dauer negativ auf die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken auswirken, da damit das Personal weggefallen ist, das für ein längeres Offenhalten von Bibliotheken ohne den Anspruch auf eine durchgehende fachliche Benutzungsberatung unbedingt erforderlich ist. Die genauere Entwicklung läßt sich aus der als Anlage 3 beigegebenen Tabelle ablesen. Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß die Personalausstattung der FU-Bibliotheken vor allem im Bereich der Zugangsbearbeitung als gut zu bezeichnen ist. Dies deckt sich im übrigen mit einem Befund, der bereits im "Bericht des Präsidenten der FU Berlin zur Lage des Bibliothekswesens an der FU (März 1987)" erhoben und mitgeteilt wurde 7) . Angesichts der noch zu erwartenden Kürzungsauflagen für den Personalbestand im Bibliothekssystem wird es leider nicht mehr gelingen, das in der verringerten Zugangsbearbeitung freiwerdende Personal in den Benutzungsbereich umzusetzen, um hier eine noch größere Qualität bibliothekarischer Dienstleistungen zu erbringen.
Erwerbungsentwicklung
Die Entwicklung der Erwerbungen ist in engem Zusammenhang mit der Etatentwicklung, vor allem bei einer preisbereinigten Betrachtung, zu sehen. Demnach kann nicht so ohne weiteres geschlossen werden, daß umfangreiche Erwerbungsmittel zu einer entsprechenden Medienausweitung führen, da der jeweilige Zeitbezug zu beachten ist. Ein weiteres Korrektiv ist durch die Substitutionsmöglichkeiten beim Medienbezug gegeben (Paperback-Ausgaben anstelle fester Einbände, Mikroformen anstelle der Papierausgaben). Ohne eine solche, zur Erarbeitung einer realistischen Einschätzung notwendige Detailanalyse durchzuführen, kann festgestellt werden, daß der Medienbestand in den letzten zwanzig Jahren um 83 % gestiegen ist: von 4,2 Millionen auf 7,7 Millionen Medieneinheiten. Wenn auch in den letzten Jahren ein Rückgang des jährlichen Medienzuwachses zu beobachten ist, kann man bei einem bundesweiten Vergleich doch zu dem Ergebnis kommen, daß die Medienausstattung immer noch als hervorragend zu bezeichnen ist, da der jährliche Zuwachs weit über den Zugängen vergleichbarer Hochschulen liegt 8) . Während allgemein für den Bestandszuwachs einer Universität ein Wert von 71.000 Bänden angenommen wird, lag der Zuwachs in den Bibliotheken der Freien Universität im Betrachtungszeitraum um das Zweieinhalb- bis Dreifache höher. Zu detaillierten Zahlen verweise ich ich auf die als Anlage 4 beigefügte Tabelle.
Entwicklung des Technikeinsatzes
Der Staatssekretär in der Wissenschaftsverwaltung, Prof. Dr. Erich Thies, hat im Sommer im "Tagesspiegel" verkündet, daß die Berliner Bibliothekare die EDV-Entwicklung verschlafen hätten. Auch der Wissenschaftssenator Peter Radunski hat im November 1996 in einem Radiointerview diese Auffassung vertreten, und selbst ein Vizepräsident der Freien Universität Berlin (der es nach den Diskussionen in der Hochschulleitung, bei denen ich zugegen war, eigentlich besser wissen müßte) hat in der Sitzung des Akademischen Senats am 6.11.1996 diese Meinung kundgetan. Betrachtet man lediglich den Automatisierungsgrad der FU-Bibliotheken und läßt man alle (auch vom Senat von Berlin gesetzten) Rahmenbedingungen außer acht, unter, könnte dem zugestimmt werden.
Nur vier Bibliotheken katalogisieren bisher online in einem Bibliotheksverbund, in zwei weiteren Bibliotheken sind Teile Integrierter autonomer Bibliotheksverwaltungsysteme (SISIS in der Veterinärmedizinischen Bibliothek, BIBDIA in der EWI-Bibliothek) installiert. Eine Bibliothek katalogisiert mit einem DABIS-Katalogisierungssystem die Neuzugänge. Alle anderen Bibliotheken verfügen bestenfalls über eine Minimalausstattung, mit der etwa Recherchen in CD-ROM-Datenbanken oder ein Zugriff auf das Internet möglich sind. Über die Planungen der Freien Universität Berlin zur Beschaffung eines Integrierten Bibliotheksverwaltungssystems berichte ich an anderer Stelle in dieser Publikation. Hier soll nur angemerkt werden, daß die bedauerlich lange Vorlaufphase dieser Planung die Einführung autonomer Fachbereichssysteme, die zwar den Forderungen des einzelnen Fachbereichs an die bibliothekarische Datenverarbeitung, aber nicht denen einer kooperativen und koordinierten Arbeit genügt hätten, verhindert hat. Der Wille zur Einführung der Datenverarbeitung ist zwar vielerorts vorhanden, mußte aber von uns wegen des Ziels der angestrebten Einheitlichkeit gebremst werden.
Auf das Warten auf eine einheitliche Lösung ist auch zurückzuführen, daß erst in vier Bibliotheken automatisierte Ausleihverfahren, teils mit wenig Komfort, im Einsatz sind. Seit 1973 wird in der UB die Lehrbuchsammlungsausleihe EDV-gestützt betrieben, seit 1985 ist auch die Hauptausleihe auf ein automatisiertes Verfahren (BIAS) umgestellt. In der Medizinischen Bibliothek des Klinikums Benjamin Franklin und der Veterinärmedizinischen Bereichsbibliothek sind SIAS-Systeme im Einsatz, und die EWI-Bibliothek nutzt für die Ausleihen das BIBDIA-System. In alle diese Systeme wurde aber in den vergangenen Jahren nichts mehr an Geräten und Programmen investiert, weil durch die Ablösung durch das Integrierte Bibliotheksverwaltungssystem eine völlig neue, wesentlich verbesserte Technologie zum Einsatz kommen wird.
Und trotz des geringen Technikeinsatzes in den einzelnen Bibliotheken sieht die Lage bei näherem Hinsehen schon jetzt nicht so schlecht aus, wie sie von der Senatsverwaltung und Teilen der Hochschulleitung wahrgenommen wird:
Alle Zeitschriften der FUB sind online in der "Zeitschriftendatenbank" nachgewiesen. (Die Universitätsbibliothek der FUB gehörte 1971 zu den wenigen "Gründungsmüttern" dieses bundesweit gemeinsamen Zeitschriftennachweissystems - soviel zum Verschlafen neuer EDV-Entwicklungen -.) Sollte demnächst der "Berliner Aufsatzdienst" installiert werden, besteht ein komfortabler Online-(Bestell-) Zugriff auf die neueste Aufsatzliteratur in Berliner Bibliotheken.
Seit 1990 werden die FUB-Bestände teils selbständig, teils durch die Abteilung Institutsgesamtkatalog der Universitätsbibliothek im Berliner Verbund erfaßt, nachdem seit 1985 gemeinsam mit der Staatsbibliothek zu Berlin die entsprechenden Vorbereitungen aufgenommen worden waren. Auf die rechtliche Verbindlichkeit dieser Tätigkeit mußten wir allerdings bis 1993 warten, bis nämlich der Senat von Berlin mit dem Deutschen Bibliotheksinstitut als dem für uns zuständigen HOST-Rechner das Rechte und Pflichten der Beteiligten festlegende Statut für den Berliner Verbundkatalog unterschrieben hat (- soviel nochmals zum Verschlafen neuer EDV-Entwicklungen -). Sollte demnächst der Berliner Verbundkatalog, der jetzt schon über eine TELNET-Verbindung recherchierbar ist (!), über einen komfortableren WWW-Zugang verfügen, verbessert sich die Online-Nachweismöglichkeit schlagartig um etwa 500.000 FU-Titel ab Erscheinungsjahr 1990, von den insgesamt über 1,2 Millionen Titeln im Berliner Verbund ganz zu schweigen. Gelingt uns darüber hinaus rasch eine wenig Personal erfordernde maschinelle Umsetzung der bei uns für die Erwerbungsjahrgänge 1980 bis 1989 maschinenlesbar erfaßten Kurztitel in vollständige Verbundaufnahmen, steigt die Nachweismenge nochmals um 360.000 UB-Titel an.
Was allerdings noch fehlt, ist ein umfassendes Netzwerk innerhalb der FUB, mit dem dieser Nachweiskomfort auch genutzt werden kann. Seit 1990 haben wir auf die Dringlichkeit der Installation eines solchen Netzwerkes, das ja nicht nur Bibliothekszwecken, sondern der allgemeinen Infrastruktur in der Universität und ihrer Kommunikationsfähigkeit mit der (wissenschaftlichen) Außenwelt dient, hingewiesen. Durch die rasante Ausweitung des Internet hat die Bedeutung eines leistungsfähigen Netzwerkes sprunghaft zugenommen. Auch die Universitätsbibliothek ist seit September 1996 mit einer eigenen homepage, hinter der sich über 400 verschiedene Dateien, darunter ein interaktives Suchprogramm für die Universitätsbibliographie, verbergen, im Netz vertreten (http://www.ub.fu-berlin.de/). Für die Vernetzung sind in der Vergangenheit schon einige Verbindungen geschaffen worden, wobei die Bibliotheksanforderungen noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Ab 1997 sollen mit einem Kostenaufwand von ca. 7 Millionen DM weitere Voraussetzungen für eine leistungsfähige Außerhaus- und Innerhaus-Vernetzung geschaffen werden, ohne die moderne Bibliotheksarbeit, und damit auch ein Integriertes Bibliotheksverwaltungssystem, nicht mehr funktionieren kann.
Anmerkungen
1) Auch die "offizielle" Geschichtsdarstellung der Freien Universität behandelt nur die "Bücherjagd" in den letzten drei Monaten vor Gründung der Universität, vgl. Tent, James F., Freie Universität 1948-1988. - Berlin: Colloquium-Verl. 1988, S. 180-183.
2) Vgl. Führer durch die Bibliotheken des Landes Berlin / hrsg. von Martin Thilo. - Berlin: de Gruyter, 1956, S. 16-25.
3) Vgl. Führer durch die Bibliotheken der Freien Universität Berlin. Stand 1. Sept. 1974. - Berlin: FU, 1975.
4) Vgl. Bibliothekenführer der Freien Universität Berlin. Stand Juli 1996. - Berlin: FU, 1996.
5) Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik, 1995, Teil B. Wissenschaftliche Bibliotheken, Tabelle 03: Bibliothekssysteme an Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen. - Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut, 1996, S. 33-39.
6) Vgl. Bibliotheken 1988-1995, S. 122-123 (Freie Universität Berlin / Statistik ; 147)
7) Vgl. Bericht des Präsidenten der FU Berlin zur Lage des Bibliothekswesens an der FU Berlin (März 1987), S. 8-11 (Drucksache 10/1608 der 10. Wahlperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin)
8) Dies zeigt ein Vergleich der Zahlenwerte in den Ausgaben 1994 und 1995 der Deutschen Bibliotheksstatistik, Teil B. Wissenschaftliche Bibliotheken, Tabelle 03, Spalte 10. Allerdings muß bei dem Vergleich berücksichtigt werden, daß einige Bibliothekssysteme, vor allem in den neuen Bundesländern, einen erheblichen Zuwachs aufgrund der Grundbestandsergänzung haben.
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Anlage 1:
Entwicklung der Bibliotheksgrößen 1974-1995 an der Freien Universität Berlin
1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1-499 26 28 23 22 22 21 25 24 24 15 15 3 2 2 2 2 3 4 2 3 1 0 500-999 16 17 17 19 17 19 20 22 21 5 4 3 3 2 3 2 2 4 5 5 3 1 1.000-2.999 37 39 42 40 37 40 38 38 39 31 26 20 20 23 24 25 24 19 17 15 16 9 3.000-4.999 24 24 26 24 19 19 20 19 19 17 22 22 21 20 17 15 17 14 13 13 10 5 5.000-9.999 32 31 30 30 39 28 26 25 23 22 18 19 20 19 20 21 21 17 16 17 15 15 10.000-29.9 50 51 49 49 51 48 48 49 46 42 42 38 37 34 33 33 32 33 33 31 30 29 99 30.000-49.9 7 9 12 12 10 15 17 16 16 15 12 13 14 14 14 14 14 14 12 12 13 13 99 50.000-99.9 9 9 8 7 8 8 8 10 9 10 11 11 10 9 9 10 10 11 10 10 10 10 99 100.000-499 4 4 5 6 7 7 8 9 9 11 12 12 13 14 15 15 15 15 17 17 18 18 .999 UB: < 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Mio. 206 213 213 210 211 206 211 213 207 169 163 142 141 138 138 138 139 132 126 124 117 101
Einige (nicht ausreichende) Hinweise zur Interpretation der Tabelle:
Der Rückgang von 206 Bibliotheken (1974) auf 101 Bibliotheken (1995) hat zwei wesentliche Ursachen:
- Integration von Kleinst- und Kleinbibliotheken in größere Betriebseinheiten mit teilweiser Weiterführung als Literatursonderstandort, z.B. FB Mathematik, FB Wirtschaftswissenschaft, UK Benjamin Franklin
- Strukturveränderungen in der Freien Universität Berlin (u. a. Abgabe des Klinikums Rudolf Virchow an die HUB)
Während die Bibliotheken in den Größenklassen bis 29.999 Bänden zahlenmäßig abgenommen haben ( von 185 Bibliotheken 1974 auf 59 Bibliotheken 1995) ist die Steigerung in der Größenklasse von 100.000-499.999 Bänden von 4 auf 18 Bibliotheken am beachtlichsten.
Zu diesen Steigerungen trägt neben den Integrationen auch bei, daß die großen Fachbibliotheken wesentlich mehr Medieneinheiten erwerben können als die kleinen Bibliotheken, also wesentlich schneller wachsen können als die kleinen Bibliotheken.
Anlage 2:
Entwicklung der Erwerbungsetats der Bibliotheken der FUB 1976 - 1995
in Tausend Index 1985 = Index erforderli DM 100 preisbereinigt ch2) 1) in Tsd. DM 1976 11.103 100 1977 13.238 119 112 11.769 1978 13.661 123 109 12.435 1979 13.747 123 103 13.212 1980 13.377 120 95 13.989 1981 15.023 135 101 14.766 1982 14.416 129 91 15.655 1983 13.583 122 81 16.654 1984 14.079 126 79 17.653 1985 14.837 133 79 18.653 1986 13.245 119 66 19.874 1987 14.042 126 66 20.984 1988 15.723 141 70 22.317 1989 17.115 154 72 23.649 1990 16.924 152 67 25.092 1991 13.962 125 52 26.536 1992 16.857 151 59 28.201 1993 18.405 165 61 29.867 1994 18.341 165 57 31.643 1995 15.332 138 45 33.531
1) Für die preisbereinigte Darstellung nehmen wir ein jährliches Ansteigen der Literaturpreise um durchschnittlich 6 % an.
2) Erforderlich: Diese Summe wäre erforderlich, um das Beschaffungsniveau 1975 zu halten.
Anlage 3:
Entwicklung der Personalausstattung der Bibliotheken der FUB 1987 - 1995
Höherer Gehobener Mittlerer Sonstige Wiss. Studentische Summe 4) Dienst Mitarbeit- Dienst Dienst Angestell er/innen 2) Hilfskräfte te1) 3) 1987 56,24 177,41 227,31 17,49 16,52 397,25 594,28 1989 55,66 177,61 216,92 14,09 7,41 425,54 578,07 1990 54,76 179,66 217,76 13,89 5,49 432,44 579,67 1991 54,41 178,20 217,41 14,58 5,89 431,07 578,25 1992 51,41 181,66 217,16 13,90 5,33 417,15 574,33 1994 48,61 178,12 204,41 12,02 4,82 402,65 548,64 1995 47,71 175,31 199,91 11,50 4,72 398,60 538,80
1) Summe der Zeitanteile der mit Bibliotheksaufgaben beschäftigten Sonstigen Mitarbeiter/innen
2) Summe der Zeitanteile der mit Bibliotheksaufgaben beschäftigten Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen
3) Umgerechnet in Beschäftigungspositionen á 40 Monatsstunden
4) Die Zahl der Studentischen Hilfskräfte wird für die Summenbildung durch 4 geteilt.
Die Berechnung der Personalkapazität erfolgt nur summarisch. Nicht berücksichtigt wird die Veränderung aufgrund von Arbeitszeitverkürzungen oder -verlängerungen (weniger Stunden für die Angestellten, mehr Stunden für die Beamten)
Anlage 4:
Entwicklung des Medienbestandes der Bibliotheken der FUB 1976 - 1995
1 2 3 4 5 Gesamtbestand in Jährlicher Jährlicher Zugang in % Bänden Zugang Zugang Index 1976=100 1976 4.188.633 201.560 100 4,79 1977 4.350.557 230.372 114 5,28 1978 4.563.735 247.000 122 5,41 1979 4.865.369 243.029 120 4,99 1980 5.288.747 257.239 127 4,86 1981 5.499.912 257.688 127 4,67 1982 5.676.687 255.723 126 4,49 1983 5.837.517 189.633 94 3,23 1984 6.023.675 194.193 96 3,22 1985 6.118.697 189.416 94 3,08 1986 6.232.034 189.132 94 3,03 1987 6.383.724 217.890 107 3,39 1988 6.566.466 196.433 97 2,98 1989 6.930.914 210.402 104 3,03 1990 6.781.269 193.504 96 2,84 1991 7.024.973 159.164 79 2,26 1992 7.353.349 167.540 83 2,27 1993 7.494.530 198.565 98 2,64 1994 7.556.585 183.774 91 2,42 1995 7.676.135 157.245 78 2,04
Spalte 2: Der Medienbestand der FU-Bibliotheken ist von 1976 bis 1995 um insgesamt 83 % gewachsen.
Spalte 3: Es gibt keine Werte darüber, in welchem Umfang der Bestand einer wissenschaftlichen Bibliothek jährlich wachsen soll, um seine Forschungsaktualität zu bewahren. In "Bibliotheken '93", S. 102 ff. wird der jährliche Zuwachs einer Volluniversität mit etwa 53.000 Monographien und 17.000 Zeitschriftenbänden angegeben. Es wird zwar darauf hingewiesen, daß bei zweischichtigen Systemen und der entsprechenden Disloziierung der Einrichtungen Zuschläge gegeben werden müssen, jedoch dürften diese bei voller Ausschöpfung etwa auf 110.000 Bände belaufen. Dieser Wert wurde in der Vergangenheit von den FU-Bibliotheken teils deutlich überschritten.
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